Ort: Sportplatz, Maastricht
Bands: Paon, Sophia, Ex Hex, Echo and the Bunnymen

Sophia
Als wir auf dem Festivalgelände eintreffen, hat die Kaffeebude noch keinen Strom und der spätnachmittägliche Kaffee muss ausfallen. Oh ja, wir sind früh dran an diesem Abend in Maastricht, aber das hat Gründe.
Das Bruis Festival entdeckte ich über eine Mail eines Facebook-Freundes, der mich auf die Veranstaltung hinwies. ‚Das ist auf so’nem altem Sportplatz, aber Sophia spielen da.‘
Sophia, die Band um Robin Proper-Sheppard, die vielen meiner Freunde und Bekannten geläufig ist, sagte mir nicht. Oder nicht viel. Über Gespräche kannte ich sie natürlich, Berichte über Robin Proper-Sheppard Solokonzerte hatte ich gelesen. Den Musikkatalog allerdings, sowohl den der Band als auch die Solosachen, blieben mir bisher verschlossen. Es ist wie so oft mit feinen Tipps von Freunden: Ich gehe ihnen zu selten nach und höre sie mir zu selten an.
Nichtsdestotrotz, das Festival weckte meine Neugierde. Sophia, Ex Hex, Echo and the Bunnymen. Das Programm am Freitag las sich vielversprechend. Und das bei freiem Eintritt! Da konnte ich doch mal schnell über die Grenze nach ähh.. Holland oder Belgien. So ganz sicher bin ich mir in den Dreiländereckstädten nie. Es ist aber auch zu verwirrend mit den Grenzen und so. Aber dieses Problem habe ich an diesem Abend nicht exklusiv.

Latent hielt sich somit die Idee, nach Maastricht zu fahren. Der Samstag bot mit Lamb, Archive, Mark Lanegan, BRNS das aus meiner Sicht noch spektakulärere Programm, aber ich muss arbeiten und habe dummerweise keine Zeit. Somit bleibt es bei dem Freitag. In der Woche zuvor ergab sich die schöne Gelegenheit, nicht alleine fahren zu müssen. Und so nahm die Idee immer mehr Konturen an.
Zwei Tage zuvor schaute ich nochmals auf der Homepage nach und las da etwas von Tickets. Tickets! Wie Tickets? Das kostet doch nix. Oder jetzt etwa doch? Und zu allem Überfluss las ich das fiese Wörtchen ausverkauft. Nein, nein, das kann nicht sein. Irritiert suchte die Webseite ab, bis ich mir aus dem niederländischen folgendes zusammengereimt hatte: Die Veranstalter lassen nicht unbegrenzt Leute auf das Gelände (was gut und richtig ist), und vergeben so im Vorfeld ‚Tickets‘, mit denen man sich den Eintritt reservieren lassen kann. Darüber hinaus gibt es am Eingang natürlich noch Bändchen für das Festival (und für die Toiletten!). Dabei gilt allerdings die daraus logisch abzuleitende Devise: Wenn das Gelände voll ist, kommt niemand mehr rein.

‚Wann wollen wir denn los?‘ Sophia sollten um 20.30 Uhr die Bühne betreten. Um definitiv Dabeisein zu können, wollten wir so gegen 18.30 Uhr in Maastricht sein. Das sollte reichen und reichte locker, wie sich abends herausstellte.
Nach einer guten Stunde Autofahrt erreichen wir die niederländische Stadt. Am Einlass gibt es noch genügend Zugangsbändchen, auf dem Gelände noch nicht überall Strom. Zeit zum rumschlendern.
Das Festivalgelände macht einen schönen und unaufgeregten Eindruck. Im wahren Leben scheint es ein nicht mehr genutzter Sportplatz zu sein, direkt neben der Maastrichter Polizeistation. Es gibt mit Bedacht ausgewählte Essensstände lokaler Anbieter, eine große Hauptbühne und eine kleine Zeltbühne, eine „chillen mit Cocktails ab 18“ Ecke sowie überall Holzbänke.
Paon, eine belgische Band, eröffnet das Festival gegen 19 Uhr.

The peacock has a certain propensity to seduce the other sex and to impress rivals. The name Paon (peacock) is therefor the perfect name for these four gentlemen, who are both capable of charming girls as frighten big tattooed men. They seduce with “As Long As You Need” and “Keep On Burning” and shine with their first single “Shine Over Me”. Paon has opened for Alt-J, Editors, Girls in Hawaii, Hanni El Khatib, Best Coast, Brigitte, Troy Von Balthazar and Jacco Gardner.

„Shine over me” ist ein schöner Popsong. Es ist sowas wie der kleine Hit der Band. Wer sich ein bisschen in der Benelux-Pop Welt auskennt, wird in ihm typische Klänge hören, die an dEUS und Girls in Hawaii erinnern. Ein bisschen theatralisch, ein bisschen getragen.
Ab und an schauen wir in Richtung der großen Bühne. Viel bleibt allerdings von Paon leider nicht hängen. Wir  verlaberten die Band, die es nicht schafft, uns davon abzuhalten. Die wenigen Zuhörer, die sich in der ersten Reihe vor der Bühne einfinden, scheinen auch nur bedingt beeindruckt.

Als es dunkler wird, kommen Sophia. Sie ziehen eine relativ große Menge von Leuten an. Der Platz vor der Bühne ist gut gefüllt, und es kommt mir so vor, dass nicht wenige von ihnen wegen Sophia hier sind. Obligatorisch zu erwähnen, dass sich auch das ein und andere bekannte Gesicht darunter befindet. Köln ist ja nicht so weit entfernt.
Von Sophia erwarte ich nichts, ja, ich hatte noch nicht einmal eine Ahnung davon, was ich musikalisch erwarten könnte. ‚Todtrauriges und Weltschmerz‘ las ich vorher irgendwo. Begriffe, die jedoch vieles bedeuten können.

„Sophia makes introvert, sad, slow songs about loneliness, death and heartbreak.”

Meine Konzertbegleitung freut sich, dass Sophia scheinbar als Band auftreten. ‚Dann würde es sehr laut‘, höre ich mehr als einmal. Im Gegensatz zu meiner Begleitung bin ich Sophia Amateur. Oder besser gesagt Robin Proper-Sheppard Amateur. Denn Sophia ist eigentlich Robin Proper-Sheppard, der als Sänger in diesem Bandgefüge diverse Musiker zusammenführt. In den letzten Jahren war das nicht so häufig der Fall, laut Wikipedia ist das aktuellste Sophia-Album There are no goodbyes bereits sechs Jahre alt. Stattdessen gab es einige Soloauftritte.

Die Vermutung, dass es laut wird, stimmt. Gut, wir stehen in der Nähe der Boxen und die Veranstalter haben schon zuvor bei Paon ordentlich die Regler nach rechts gedreht. Aber Sophia und ihre Gitarren machen ordentlich Lärm, der auch ohne die beiden genannten Dinge sehr laut gewesen wäre.
Und wie ist die Musik so? Ich empfinde sie als sehr getragen, melodisch und melancholisch schön. Zeitweise kommt sie mir so vor wie Archive ohne Rapper und oder Swervedriver ohne Shoegaze-Gitarren. Sophia machen die Art von britischer Musik, die Sehnsüchte innehat, die Sehnsüchte beim Hören weckt. Meist fangen die Songs langsam und behebe an, bevor sie sich im Laufe ihrer Spielzeit immer mehr ausbreiten und lauter werden. Oder es sind kleine minimalistische Gitarrensongs, die von Robin Proper-Sheppard alleine vorgetragen werden.
Und natürlich stimmt es nicht, was ich dachte: ich kenne einen Sophia Song; den, den wohl alle kennen: „Oh my love“. Und darüber, dass das ein Welthit ist, gibt es keine zwei Meinungen.
Das Konzert ist toll, die getragene Stimmung passt wunderschön zum aufkommenden Abend. Robin Proper-Sheppard und seine drei Mitmusiker wirken zwar manchmal ein wenig unaufgeräumt, aber das stört wenig. Dass der Sänger eine gewisse Art Ausstrahlung besitzt, die ihn zu einem netten Typen machen, merke ich irgendwie. Es gibt ja solche Menschen, die man auf Anhieb sympathisch findet, ohne sie näher kennengelernt zu haben. Robin Proper-Sheppard finde ich sympathisch.

Sophia machten für mich an diesem Abend alles richtig. Auch wenn sich der Sänger einmal vertut:
‚Thank you Belgium‘, sagt er, um sich direkt darauf lachend zu bessern. Ach nee, Maastricht liege ja in den Niederlanden. Das wisse er schon.
Ich fühle mich in diesen Momenten immer an die Geschichte von Eddie Argos erinnert, in der er von einem Konzert der Band Social Distortion – die er offensichtlich nicht mag – erzählt, die das Pukkelpop Festival mit einem ‚Hello Holland‘ begrüßten, oder an dEUS, die seinerzeit dem Meltpublikum ein „Hello Berlin“ entgegen schmetterten. Es ist aber auch eine verzwickte Sache mit diesen Grenzen und Ländern und den vielen Städten und Orten.
Eine gute Stunde spielen Sophia. Eine Stunde, in der ich viele tolle Songs höre. „It’s easy to be lonely“ zum Beispiel, zu dem ein kleiner vier Personen Chor auf die Bühne kommt. Oder aber die beiden letzten Songs. Vom vorletzten weiß ich nichts, der letzte Song kommt von den May Queens, einem Sheppard‘schen Nebenprojekt. Expertenwissen meiner Begleitung.
Ich würde Sophia gerne noch einmal sehen, vielleicht auch ohne Band. Bis es soweit ist, werde ich mir aber mal die Bootlegs zu Gemüte führen, die auf der Bandcamp Seite zum Download bereitstehen. Und die alten Sophia Platten kaufen.
Ich habe auf dem Bruis Festival eine alte Band neu entdeckt, besser geht‘s doch nicht, oder?!

Ex Hex und Echo and the Bunnymen werden anschliessend erneut verquatscht und verpasst. Eine Schande ist das nicht.

PS: Gut, dass es dieses Tagebuch gibt. Paon sah ich schon einmal, klick. Sachen gibt’s!

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