Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Young Knives

Bob Mould 2014

Bob Mould, noch so ein all time hero. Seine erste Band Hüsker Dü, die er zusammen mit Grant Hart und Greg Norton in den 1970ern gründete, kannte ich zugegebenermaßen lange nur vom Hörensagen. Für Hüsker Dü bin ich zu jung, und Ambitionen, mir diese Band quasi im Nachhinein zu erarbeiteten, hatte ich nicht. So sehr war ich dem Hardcore und Punk nicht verfallen, dass mir das notwendig erschien.
Meine lustigste Hüsker Dü Erfahrung hatte ich vor vielen Jahren während der Umbaupause eines Pixies Konzertes in der Frankfurter Festhalle. Da liefen Hüsker Dü vom Band, was wir aber nicht wussten und als wir uns laut fragten, was denn das für ein nerviger Krach als Umbaupausenmusik sei, erklärte uns der Nebenmann: na, Hüsker Dü. Es war uns kurz unangenehm, das nicht erkannt zu haben. Fettnäpfchen.
Überdies gab es in den Folgejahren zu viele andere aktuelle spannende Bands, da reichte das Geld nicht für Backkatalogkäufe, und somit nicht für Hüsker Dü. Sugar zum Beispiel war so eine spannende Band, und die zweite von Bob Mould. Sugar liebe ich sehr, ihr Alternative Rock ist zeitlos schön und für mich einer der besten, der damals gemacht wurde. Mit Copper Blue und File Under: Easy Listening hat die Band nur zwei Alben veröffentlich, aber gerade auf Copper Blue ist jeder Song ein Welthit. Herausragend hier vielleicht „Changes“, „Hoover Dam“ und „A good idea“. Mindestens diese drei Songs sollte jeder kennen.

File Under: Easy Listening ist nur unwesentlich schwächer, mit „Gift“, „Company Book“ und „Believe what you are sayin‘“ hat es allemal noch verdammt gute Reißer, die den Albumkauf auch heute noch rechtfertigen. Oh ja, beide Alben gehören eigentlich in jede Plattensammlung eines in den 1990er Jahren musiksozialisierten Menschen. Punkt.
Nach Sugar und nach den 1990ern eroberte ich mir dann auch Hüsker Dü. Es war an der Zeit, so viel spannende Bands gab es in den 2000er Jahren nicht, und ich hatte Geld.

Seit Mitte des letzten Jahrzehnts nimmt Bob Mould verstärkt Soloalben auf. Gemacht hat er das schon immer, aber die Regelmäßigkeit setzte erst in den letzten 10 Jahren ein. Da veröffentlichte er fünf Alben, das letzte ist gerade ein paar Monate alt.
Live musste ich lange warten, bis ich Bob Mould zum ersten Mal sehen konnte. Beim Primavera Sound vor einem Jahr kreuzten sich unsere Wege. Dass ich mich dann schlussendlich trotz der großen Konkurrenz auf den anderen Bühnen für Bob Mould entschieden hatte, habe ich zu keiner Sekunde bereut. Denn es gab damals viele, viele alte Sugar Klassiker, die ich an diesem kühlen Maiabend regelrecht aufgezogen habe. In meiner Erinnerung bleibt ein gutes, rassiges einstündiges Konzert, das mich voll und ganz glückselig machte und mich wie kaum ein anderes Konzert in die 1990er zurückkapitulierte. Denn auch die aktuellen Songs des Amerikaners klingen unverändert nach Alternative Rock. Schlagzeug, Gitarre, Bass. Keine Sperenzchen, keine Experimente.

Es war natürlich keine Frage, die Bob Mould Band nochmal live sehen zu wollen. Da kam mir sein Konzert im Kölner Gebäude 9 gerade recht, und der Blick auf die Setlisten der vorangegangenen Konzerte versprach auch wieder einige alte Gassenhauer. Sugar und Hüsker Dü Referenzen fanden sich haufenweise, machten an manchen Abenden fast die Hälfte der gespielten Songs aus.
Für mich war es so nur eine logische Konsequenz, dass die Homepage des Gebäudes 9 ein ausverkauft meldete. Allerdings hatte ich vor Konzertbeginn meine Zweifel, ob das denn wirklich stimme. Der Saal war während der Vorgruppe Young Knives, die im Übrigen irgendwie zu überzeugen wussten, nur sehr mau gefüllt. Was war los? Hinderten der zugstreik und die vollen Ring- und Stadtautobahn ein zeitgerechtes Eintreffen oder war das ausverkauft ein Fehler? Nein, wahr ist, dass das mitgealterte Publikum meilenweit davon entfernt ist, bereits viele Minuten vor Konzertbeginn die vorderen Reihen zu füllen; erst wenige Minuten bevor Bob Mould die Bühne betrat, wurde es im Gebäude spürbar voll. Und gleich heiß.

Wie so oft auf dieser Tour begannen Bob Mould, Bassist Jason Narducy und Schlagzeuger Jon Wurster (die passenderweise auch schon bei Superchunk mitwirkten) mit altem Zeugs: „Flip your wig“ und „Hate paper doll“, denen sogleich der erste Welthit „Hoover Dam“ folgte. Wow, welch ein Beginn! Das Gebäude 9 war direkt auf Betriebstemperatur.

„Standing at the edge of the Hoover Dam, i’m on the centerline“

Yep! Mitsingen konnte das hier jeder. Nicht nur ich erfreute mich daran, altbekanntes live präsentiert zu bekommen. Ab jetzt fraßen wir der Band aus der Hand. Da war es nur eine Randnotiz, dass das Set genau das hielt, was die anderen Konzertsetlisten im Vorfeld versprachen. Eine gute Mischung aus altem und neuem Alternative Rock. Zack, zack, zack, in Song-Zweierblöcken kloppten sich die drei durch das Set. Ich weiß nicht, wie viele der 21 Songs der Setlist sie in den ersten Minuten durchgespeilt haben, alles ging so irrsinnig schnell und Holter die Polter, dass mir jegliches Zeitgefühl verloren ging. Erst zum dritten Hüsker Dü Song „Hardly getting over it“, das erstmals Tempo aus der Veranstaltung nahm, war kurzzeitig verschnaufen möglich. Es war neben dem getragenen „Come around“ gegen Ende des Konzertes der einzige Song des Abends, der die klassischen Alternative Gitarren schweigen ließ. Es war nur eine kurze Unterbrechung meines Tanz- und Kopfnickrhythmuses, das in „Tomorrow Morning“, „Helpless“ „If I can changed your mind“ und „Hey Mr Grey“ sagenhafte Höhepunkte hatte.

Dumm und naiv könnte man sagen, es klingt jeder Song irgendwie gleich. Auf das oberflächliche Hören hin ist das vielleicht so und der nuschelige Gesang Moulds macht es nicht einfacher, die Dinge zu unterscheiden. Sicher, es gibt keine technischen Experimente, keine hundert Effektgeräuschkulissen und wildes Pedalgeklicke vor den einzelnen Songs. Aber natürlich klingt nicht jeder Song gleich, auch wenn die Strukturen immer identisch zu sein scheinen. Bob Mould und Jason Narducy reichen ein Bass und eine Gitarre. Sie brauchen all das Gedöns nicht. Und in der Zeit zwischen den Songs, wenn andere Bands an den Verstärkern drehen und mit den Fusspedalen die nächsten Effekte einstellen, leiten die beiden einfach direkt über in den nächsten Song oder trinken einen Schluck aus der Wasserflasche. Und so war das Konzert wie die Musik, erfrischend unkompliziert und maximal eingänglich.

Nach 70 Minuten endet das Konzert wie es begann. Zum Finale gibt es mit „Something i learned today“ und „In a free Land“, zwei Hüsker Dü Songs. Ein letzter Punk-Rock-Kick-Tritt des Bassisten, dann war es das. „Love is all around“. Passt.
“I hate Alternative Rock“ heißt ein Song des Amerikaners auf seinem dritten Soloalbum. Zu der Kreatur, die Bob Mould Anfang der 1990er quasi miterschuf, ist es sicher eine Art Hassliebe.

„Don’t go blaming me for Bush. It’s not my fault.“

Wird er bei Wikipedia zitiert. Okay, glaub ich so halb.

Setlist:
01: Flip Your Wig
02: Hate Paper Doll
03: Hoover Dam
04: Star Machine
05: The Descent
06: I Don’t Know You Anymore
07: Up in the Air
08: Little Glass Pill
09: Kid With Crooked Face
10: Nemeses Are Laughing
11: The War
12: Hardly Getting Over It
13: Helpless
14: Keep Believing
15: Fire in the City
16: If I Can’t Change Your Mind
17: Hey Mr. Grey
18: Come Around
19: Tomorrow Morning
20: Something I Learned Today
21: In A Free Land
Zugabe:
22: Makes No Sense at All
23: Love Is All Around

Kontextkonzerte:
Primavera Sound Festival – Barcelona, 23.05.2013

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. pascal

    Bis auf das Wort rassig ein sehr, sehr schöner Artikel und so wahr!
    Allerdings habe dich gar nicht nicken gesehen ;-)

  2. frank

    Du musstest ja öfters hinter dem Vorhang zum arbeiten verschwinden. Das hab ich dann ausgenutzt!

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