Der Freitag stand ganz im Zeichen der britischen Saint Etienne. Als ich vor einigen Wochen hörte, dass die beste und meistunterschätzte englische Band der letzten 15 Jahre ihre Zusage für das Festival gegeben hat, war klar, da muss ich hin. Zu selten hat man die Gelegenheit, die drei Musiker live zu sehen und so gilt es, jede Chance gnadenlos zu nutzen.
Um es vorweg zunehmen und die Chronologie zu durchbrechen, Saint Etienne haben nicht enttäuscht und waren ähnlich souverän wie seinerzeit beim Monsters of Spex, ihrem letzten Deutschlandauftritt vor einigen Jahren.
Fox Base Alpha, ihr 1991er Debütalbum bildete im Mai diesen Jahres das Grundgerüst für einige Auftritte in England, bei denen Saint Etienne das komplette Album spielten.
In Tempelhof war ihre Mischung ausgewogener, zu Fox Base Alpha Klassikern wie „Only love can break your heart“, „Girl VII“ oder „Nothing can stop us“ gesellten sich die wunderbaren „Heart failed“, „Good thing“ (mit „You probably know that from the Spanish Film Volver“, wurde der Song angekündigt) und ein Abschlussdreier, der seines Gleichen sucht (und wohl nicht findet!): „Like a motorway“, „Sylvie“, He is on the phone“. Mehr geht nicht.
Diese Band ist erstaunlich. Zwei kleine Keyboardtürmchen stehen mittig auf der Bühne. Davor, fast am Bühnenrand, ein Mikrofonständer. Das ist der Platz von Sängerin Sarah Cracknell. Neben Kim Gordon und Beth Gibbons ist sie die dritte Grand Dame des ausgehenden letzten Jahrtausends. Divenhaft und souverän swingt sie sich durch die Beats. Die kommen von Bob Stanley und Pete Wiggs, die sich hinter ihren Soundmaschinen positioniert haben.
Am Ende des Sets landete Sarah Cracknells Federboa im Publikum. Das gute Stück wurde gerecht geteilt. Saint Etienne waren das erhoffte Highlight. Doch bevor es soweit war, galt es, anderen Bands zuzujubeln.

Dear Reader zum Beispiel. Die Südafrikaner waren das erste, was wir an diesem Freitag hörten. Ich hatte die Band dieses Jahr schon zweimal live erleben dürfen und somit war meine Neugierde nicht ganz so gut. Die Konzerterinnerungen aus Köln und Nijmegen waren noch zu präsent und darüber hinaus hatte ich mich vorher schon darauf festgelegt, dass die große Festivalbühne nicht zur Dear Reader Musik passt. Überrascht war ich ob des großen Zuschaueranspruchs. Waren zu Beginn des knapp 45 minütigen Sets die Menschenmassen noch überschaubar, so füllte sich die Halle doch recht ordentlich und mehrere Hundert lauschten den Klängen um Cherilyn MacNeil, Darryl Torr und Michael Wright. Ach ja, die Violistin aus Köln war auch wieder mit dabei und jemand mit Insiderwissen erzählte mir, dass sie jetzt festes Dear Reader Mitglied sei.
Nach „Heavy“, ihrem dritten oder vierten Song verließen wir daher den Hangar und schlenderten hinüber zur Second Stage. Hier spielten Telepathe. Auf die beiden Mädchen war ich schon gespannter, sie wollte ich mir unbedingt anhören. Anfang des Jahres erschien ihr Debüt „Dance Mother“, und nicht nur im Kölner Stadtanzeiger gab es eine vielversprechende Plattenrezession. Mein Interesse wurde also schon frühzeitig geweckt. Telepathe sind Melissa Livaudais und Busy Gangnes aus New York. Klar, woher auch sonst, zu ihren avantgardistischen Club-Pop-Dance-Techno-Sound passt nur diese Stadt. Und Telepathe passten mit ihrem Sound punktgenau in das Berlin Festival. Irgendetwas ließ mich noch aufdem Heimweg zum Hotel denken, gut, dass ich Telepathe gesehen habe.
Zurück an der Hauptbühne. These New Puritans. Ehrlich gesagt habe ich nach zwei Tagen Festival keine großen Erinnerungen mehr an die Band aus Southend. Das ist wohl kein gutes Zeichen.

These New Puritans - Berlin Tempelhof, 07.08.2009

Und dann kam Peter. Ich glaube er nennt sich jetzt lieber Peter als Pete, aber das nur als Nebensächlichkeit. Ich bleib mal bei Peter. Peter Doherty war pünktlich. Er hatte zwei Tänzerinnen dabei, und eine Gitarre, und seinen Hut, und – ach scheiß Klischeeverwirklichung – er hatte Alkohol im Blut. Ich vermute dies, weil sein leicht schwankender Gang darauf hindeutete. Aber er war da, und der Hangar zum ersten Mal voll. Also mit Leuten, nicht ähh, na ja.
Peter Doherty schnallte sich also seine Gitarre um, und spielte los. Songs von seinem Soloalbum, den Babyshambles und den Libertines. Warum nur wollen so viele Peter Doherty sehen? Was hat der Mann außer seinen Skandalen und einer begnadet tollen Stimme? Ich kam nicht hinter das Geheimnis, und nach einer guten halben Stunde hatte ich genug gesehen und gehört. Genug Musik für heute, aber morgen ist ja noch ein schöner Tag.

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Fotos: frank@flickr

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Lie In The Sound

    Pete hat schon ne besondere Aura… mein Highlight des Festivals. Zweiter (und sonst keiner mehr) Höhepunkt waren Saint Etienne…. leider hast du das herrlich arrogant-charmante Zitat von ihr nur quasi sinngemäß wieder gegeben. „Volver….(Pause) that Spanish film… you know“ Diese Wichtigkeit nach „by the way“-Art unterstrichen… Ich hab mich halb schief gelacht… eine echte Diva eben. Die Stimmung beim Saint Etienne Konzert war die beste des Festivals. Bei Pete musste ich mich zusehr wehren um meinen guten Platz u. Sicht zu behalten.

    Brigitte (aka DifferentStars)

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