Ort: FZW, Dortmund
Vorband: Wild smiles

Benjamin Booker

Vor Jahresfrist sah ich im Fernsehen die Drama-Serie Tremé. In Tremé geht es um Musiker, Restaurantbesitzer und andere, die in dem Stadtteil Tremé in New Orleans mit den Folgen des Wirbelsturms Katrina klar kommen müssen und auch klarkommen. Die Handlung beginnt im Herbst 2005, drei Monate nach dem Hurrikan Katrina, und endet Jahre später, ich glaube 2012 oder so.
Musik ist ein wichtiger Bestandteil der Serie. Das ist nicht verwunderlich, ist Tremé doch sowas wie der hippe Stadtteil New Orléans, auch der älteste und voll von historisch bedeutsamen Orten afroamerikanischen Musik und Kultur. Der Blues und Jazz, die Blaskapellen, generell die ganze Musikhistorie der amerikanischen Südstaaten sagt mir eigentlich nicht so zu. Die schwermütigen und klagevollen Melodien und Rhythmen sind nicht meins.

Benjamin Booker stammt aus New Orleans und macht genau die Musik, die ich mit dieser Stadt verbinde. Blues. Normalerweise mag ich Blues nicht, ich kenne außer den Rolling Stones und der John Spencer Blues explosion keine Bluesbands und fühle mich bei dieser Musik nicht wohl.
Aber die Stadtteilgeschichten des arbeitslosen Strassenmusikers, des Radio DJs, der unbedingt mehr Blues und Jazz ins Formatradio bringen möchte, die Geschichte des Mardi Gras Indians und seines Sohnes, einem Jazz Trompeter, brachten so viele Musiksequenzen mit sich, dass sich meine Ansicht über Blues und die einzelnen Subtypen, wie sie auch alle heißen mögen, änderte. Ich wühlte und googlete und fand viele schöne Songs, die es mir leicht machten, in dieses Genre schnorcheltief einzutauchen.

Benjamin Booker war so ein Googleergebnis. Mitte letzten Jahres hatte ich seinen Hit „Have you seen my son“ zum ersten Mal gehört und ich war fasziniert. Fasziniert von dem Lärm, begeistert von der Stimme, beeindruckt von der Dynamik, die dieses Stück Musik hat. Als zweiten Song hörte ich ein paar Wochen später „Golden shiver“ und ich war nun vollkommen überzeugt.
Ich sah meine Vorahnung aus den Tremé Fernseh-Wochen bestätigt, dass ich mich noch mehr mit dieser Musikrichtung befassen sollte. Punktuell und ausgewählt. Sicher werde ich jetzt nicht die frühen Stones Alben kaufen. Ein bisschen stöbern in den 50ern, eher sowas in der Art. Manchmal braucht es einen Anstoß von außen, Tremé war der erste, Benjamin Booker nun der zweite.

Ich erwartete kein volles kleines FZW, daher unternahm ich keine Mühen, früher als notwendig vor Ort zu sein. Der Dortmunder Klub ist ein überaus netter Konzertort, sowohl der kleine Saal als auch der Hauptsaal bieten alle Möglichkeiten, ein Konzert gut genießen zu können.
Als ich die Treppen hinunterstieg, ist der Konzertraum erwartet übersichtlich gefüllt. Ich suchte einen Platz, fand ihn, akklimatisierte mich und ein paar Minuten später stiegen drei junge Männer auf die Bühne, die sich als Wild smiles vorstellten.
Die Vorband. Was für eine Vorband!
Chris Peden, Joe Peden und Ben Cook sind die Wild smiles, eine Band aus England. Der Guardin schreibt richtig:

The background: It didn’t occur until today, when we started paying close attention to Wild Smiles, a new trio from Hampshire, that there might be a connection between surf music, drone-rock, power pop, shoegazing and grunge. But there must be some kind of affinity, or sense of a baton being passed from one to the next, because Wild Smiles variously recall exponents of all those genres, often within the same song. You mean a band who sound simultaneously like the Beach Boys, the Velvet Underground, the Shoes, the Jesus and Mary Chain and Dinosaur Jr? Is that even possible? To compress all those bands, with their wildly scattered aesthetics and sensibilities – sweet, harsh, dark, light, clean-cut, stoner – into one compact and bijou three-piece from the south coast? Wouldn’t that be amazing?
It would, but Wild Smiles, it has to be said, aren’t amazing. What’s amazing is that the idea of the confluence of those genres didn’t occur earlier. Maybe it did and it was more of a subconscious thing – after all, the Mary Chain found the missing link between Californian poptimism and New York nihilism back in the mid-1980s. But these three boys (term used loosely: mainman Chris Peden is 22) do it well, and they give it a little twist – unless that’s our ears playing tricks on us, because we know that Geoff Barrow’s label Invada is releasing their debut single and we’re hearing idiosyncrasies where really there are none.

Always Tomorrow heißt ihre Debütscheibe, sie könnte gut sein. Die Jungsband spielte verdammt hervorragend auf, ihre Stärken waren die drei Songs, in denen sich Gitarrist und Bassist im Duettgesang ergänzten. In diesen Momenten hatten sie mehr von Nirvana als von Silverchair oder den frühen Foo Fighters, womit meine Referenzbands genannt wären.
Es waren knackige laute 25 Minuten, ich behalte sie im Auge.

Benjamin Bookers Setlist umfasst 14 Songs. Knackig und laut ging es dabei nur phasenweise zu. Booker arbeitet die Musik, sein Oberkörper krümmt sich angespannt nach vorne, wenn er zum Gitarrenspiel ansetzt. Das lässt ihn, eh schon von kleiner Statur ist, noch kleiner erscheinen. Die Gitarre spielt er dabei grandios schön, die Finger zippeln über die Saiten wie nichts. Dem Amerikaner zuzusehen riecht förmlich nach dunkler, muffiger Kaschemme. Seine Stimme setzt dabei den i-Punkt. Sie klingt nicht klar und hell, das wäre falsch. Benjamin Booker singt tief und rau wie Schleifpapier. So wie alte Männer singen, nur dass Benjamin Booker noch nicht sehr alt ist. Also eine rauchige Kaschemme.
Doch so richtig in Fahrt kommt er an diesem Abend jedoch leider nicht. Ist das FZW nicht Kaschemme genug? Oder ist das nur mein Eindruck?
Die knisternde, gar elektrisierende Spannung, die seinen Livekonzerten laut Internet nachgesagt werden, spüre ich nur phasenweise. Zum Schluss etwa, als das Konzertfinale mit „Violent shiver“, „Have you seen my son“ und „By the evening“ die Fahrt aufnimmt, die mir vorher abging. Gerade im Mittelteil bei den dunkelsten Bluesmomenten (“Slow coming“, „Spoon out my eyeballs“) und den Coverversionen („Shout Bamalama“ und „Falling down blues“) sprang der Funke nicht dauerhaft zu mir über. Da bin ich scheinbar noch zu wenig bluesaffin.
Ist das Cover des Nina Simone Covers „Little Liza Jane“ noch schön (Benjamin Booker moderierte es als Nina Simones Song ab, tatsächlich ist der Song viel älter – weiss er sicherlich, nur mit dem Namen Nina Simone können wir viel mehr anfangen als mit einem 1910er Blueser), sind die anderen Coverversionen mir zu country-esk.
„Falling down blues“ zum Beispiel – und das kommt noch erschwerend dazu – ist in meinen Ohren purer Country. Country mag ich eigentlich noch weniger als Blues und in diesem Fall ändert sich das durch Benjamin Booker nicht. Viel schlimmer: bei einigen Melodiegängen kam mir gar Cotton eye Joe von Rednex in den Sinn. Ein Dilemma meiner musikalischen Sozialisierung! Gruselig das!

Immer dann, wenn der Schlagzeuger zum Banjo oder Gitarre griff, wurde es so verstärkt folkloristisch. Neben dem Schlagzeuger gehört noch ein Bassist zum Bandensemble. Zu dritt passen sie gut zusammen, die Band macht einen eingespielten Eindruck und funktioniert perfekt.

Nach gut einer Stunde ist das Konzert vorbei, eine Zugabe spielt Benjamin Booker nicht. Als Outro läuft klassischer Blues vom Band. So wie das Konzert begann, endet es. Das Stimmungsbild ist an diesem Abend stimmig und perfekt.

Ich bin gespannt, wie Benjamin Booker auf einer Festivalbühne wirkt. Denn da ist ja noch weniger Kaschemme als im FZW. Ach, ich lebe in schlimmen Klischees.

Setlist:
01: Always wanting
02: Chippewa
03: Old hearts
04: Happy homes
05: Kids never growing older
06: Falling down blues
07: Slow coming
08: Little Liza jane
09: Shout Bamalama
10: Spoon out my eyeballs
11: Wicked waters
12: Violent shiver
13: have you seen my son?
14. By the evening

Fotos:

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