Ort: Botanique, Brüssel
Hauptband: Vetiver

Asobi Seksu

‚First we take New York than we take the countryside.‘ Unterschiedlicher können zwei Bands nicht sein. Hier, die städtischen Asobi Seksu mit viel Lärm und Feedbacks und so, dort die nach frischer Luft, Weite, grünen Wiesen, gelben Feldern und heile Welt klingenden Vetiver. ‚Und gleich kommt Lassie um die Ecke‘, möchte man bei den sehr speziellen Folkklängen der (Achtung!) Band aus San Fransisco denken. Ne, das war doch recht langweilig und eintönig. Nichts für mich. Nicht immer gefällt das Überraschungsei.
Asobi Seksu waren denn auch der Grund unseres Besuches der Botanique. Sehr schön, Miss Yuki Chikudate. Das war gute Unterhaltung in der mit rund 200 Besuchern vollen Rotonde des wunderschönen Kulturkomplexes.

Die Rotonde des Brüsseler Botanique ist ein interessanter Ort. Ein kreisrunder Raum mit einem ca. 15 Meter Radius und 10 Meter Deckenhöhe. Die eine Hälfte der Rotonde gehört der Bühne, die andere Hälfte dem Publikum. An den Wänden sind vier treppenstufenartige Sitzreihen aus Holz angebracht, die kleine Freifläche vor der Bühne beschränkt sich so auf wenige Quadratmeter. Ein sehr unaufgeregtes und gemütliches Ambiente. Nett ist die ganze Botanique. Es erscheint wie ein Kulturzentrum mit verschiedenen Veranstaltungsräumen.
Bis man zur Rotonde gelangt, geht man durch verschiedene Gänge und um viele Ecken. Blumen, Wasserläufe und Goldfische säumen den Weg. Die parkähnlichen Außenanlagen sind schon geschlossen, aber auch hier drinnen grünt es und die Botanique macht ihrem Namen alle Ehre.
Vom Place de Rogier sind es nur wenige Minuten zu Fuß. Der Ausflug nach Brüssel kam spontan, aber nicht ungelegen. Zwei Fliegen konnten erschlagen werden: der Rosenmontag fand eine sinnvolle Nutzung und ein Ausflug ins nahe Brüssel lohnt sich schon allein wegen der hervorragenden Pommes, den guten Comicläden und dem Mediamarkt mit dem gutsortierten französischen CD Sortiment. Gegessen, gelesen und CD’s gekauft wurde daher auch.
Asobi Seksu war der eigentliche Ticketkaufgrund. Die Band um Sängerin Yuki Chikudate ist seit ihrem Kulturkirchenauftritt im Vorprogramm der Editors ein gern gehörter Kandidat. Leider hatte ich ihr Kölner Konzert im Dezember verpasst, aber nun gab es ja eine weitere Möglichkeit, diese tolle Band zu sehen.

Asobi Seksu sind als Vorband für Vetiver gebucht, bringen es trotzdem auf eine gute Stunde Spielzeit und 12 Songs. Es ist ein Konzert zweier gleichberechtigter Bands, denn auch Vetiver spielten eine gute Stunde.
Asobi Seksu spielen viel vom neuen Album „Hush“. Die Hälfte des Sets, um genau zu sein, setzt sich aus Songs des kürzlich erschienen Albums zusammen. Der Sound ist gut, nicht so laut und nicht zu stark ausgesteuert wie befürchtet. Es scheint, dass viele Leute wegen der New Yorker Band vor Ort sind, die Rotonde war schon um acht Uhr mehr als gut besucht. Schön zu sehen, dass die Band viele Freunde hat. Obwohl ich das neue Album noch nicht kenne, war der Dreampop der New Yorker unverkennbar. Es scheint sich nicht allzu viel geändert zu haben im Asobi Seksu’schen Kosmos.
Etwas weniger Gitarrenwände und ein Hauch mehr Pop, das Grundmuster mit sanftem Keyboard und lauten Gitarrenpassagen bleibt aber kennzeichnend für den Sound. Und wenn Yuki das Xylophon auspackt und japanische Worte sirenenhaft ins Mikrofon haucht (Meh No Mae), wird es sehr, sehr träumerisch.
Seit über drei Alben gibt es die Band. 2004 gründeten Yuki Chikudate (Keyboard, Gesang) und James Hanna (Gitarre, Gesang) Asobi Seksu, was auf Deutsch soviel wie ‚verspielter Sex‘ heiß. Warum man eine Band so nennt, weiß ich nicht. Warum man sich dem Shoegaze, tsunamihaften Gitarrenwälle und Feedback-Attacken hingibt, kann ich sehr wohl nachvollziehen. Kombiniert mit der zarten Gesangsstimme vom Yuki erinnert das sehr stark an My bloody Valentine. Für mich der entscheidende Grund, diese Band zu mögen. Wie sollte es daher auch anders sein, das Konzert war ein gutes. Ein gelungener Auftritt!

Es ist kurz nach neun, die Band Vetiver kommt auf die Bühne. Die Gitarren hängen ihnen knapp unterm Kinn. Sie beginnen ein Lied zu spielen, das von blühenden Apfelbäumen handelt. Dann brechen sie ab, klar, alles nur Spaß, und während die Band Abstimmungsprobleme erörtert, stimme ich erleichtert in das Lachen der anderen Zuschauer in der ausverkauften Location mit ein. Das Lied beginnt von neuem, und es ist kein Spaß. Der Refrain des Liedes lautet ‚it´s a good day for fishing.‘
Vetiver waren die großen Unbekannten. Ein Vorabtest über Myspace stellte sie in die Ecke Neo-Folk, Fleet Foxes und andere Bartträger. Na schauen wir mal, das Liveurteil kann ich mir noch früh genug bilden.
Nach diesem lustigen Auftakt waren nach 15 Minuten Vetiver Konzert die Dinge geklärt: Dieser glasklare amerik. Folk ist absolut nicht meins. Gut, das wir uns setzen konnten, so machten die doch sehr einschläfernden Sounds nicht so starke Schmerzen in den Beinen. Der Mann aus den Bergen oder Lassie, diese Assoziationen kamen in mir hoch. Soviel Ausgeglichenheit, soviel neo- hippieskes Gefühl war in ihrer Musik, das war nicht schön. Passenderweise lebt Andy Cabic, Sänger, Songschreiber und Kopf der Band, in San Francisco. Wo auch sonst?! Der Auftritt zog sich, musikalisch ein bisschen interessanter wurde es, wenn Andy die Akkustikgitarre zur Seite lag und zur elektrischen Gitarre griff. Dann kam mehr Fahrt auf, die Songs wurden schneller. Das war leider zu selten der Fall, und eigentlich hätten wir schon nach 20 Minuten gehen können. Doch was tun mit dem angebrochenen Abend? Belgisches Bier trinken und Pommes essen? Das habe ich schon heute Nachmittag getan.
Um kurz vor zehn bemerkt der Vetiver-Sänger mit der stilechten Bauernmütze dass wir ja alle so ruhig auf dem Fußboden sitzen. Ich frage mich irritiert, was er erwartet – Stagediving zu Mundharmonikaklängen? Besagte Mundharmonika kommt nun tatsächlich zum Einsatz. Ich lenke mich ab, indem ich die Karohemden im Publikum zähle. Es sind jedoch nur wenige.
Denn Mädchen in der Rotonde scheint’s zu gefallen. Sie wippten und nickten mit lachenden Gesichtern eifrig mit. Ein Junge vor mir kennt sogar die Texte. ‚War irgendwer von Euch bei unserem Auftritt im letzten Jahr‘, fragt der Sänger. Wenig Reaktion aus dem Publikum. ‚We probably drove everyone off‘, sagt er mit einem verschmitzten Grinsen zum Gitarristen und erhält aus dem Publikum sympathisierende Rufe. Ich glaube, dass er wahrscheinlich recht hat, ich mag diese Musik auch nicht.
Das Konzerttagebuch schreibt davon, dass Vetiver dieses Jahr den Durchbruch schaffen werden. Warum sollten sie, frag ich mich? Wenn dies interessanterweise doch so sein sollte, dann nur, weil die Musikwelt einen starken Gegentrend zum mittlerweile omnipräsenten Indieclash benötigt. Und Folk war schon lange nicht mehr, bietet sich also an. Ein anderer Grund fällt mir nicht ein. Ach halt: Wenn es die Mädchen mögen, kaufen auch die Jungs die CDs. Plattenfirma, was brauchst du mehr! Neofolk, ein kluges MGMT- Konzept.

Setlist:
01. Sing
02. Strawberries
03. Me and Mary
04. Meh No Mae
05. In the sky
06. Thursday
07. Gliss
08. Transparence
09. Familiar Light
10. Blind little rain
11. Pink Cloud tracing paper
12. Red Sea

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