Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband:

Anna von Hausswolff

The Miraculous heißt Anna von Hausswolffs neue Platte, die ich sehr mag und gerade oft höre. Jedes Jahr im Herbst ändert sich meine musikalische Vorliebe. Die luftig leichten Popsongs verschwinden mehr und mehr im CD regal und ich krame die dunklen, ruhigen, sentimentalen Sachen heraus. Es scheint dann so, als ob nicht nur die Tage trüber und trister werden, sondern auch meine Stimmung. In diesem Jahr merkte ich diese Änderung deutlicher als sonst. In Utrecht gefielen mir die eher traurigen Konzerte am besten. Und von denen gab es viele. „Blood and tears“ von Marissa Nadler war eines der besten Livestücke, das ich in den letzten Monaten gehört habe. Auch das in der Nachbetrachtung immer schöner werdende Chelsea Wolfe Konzert spricht irgendwie für die Tatsache, dass mich aktuell die eher schweren und melancholisch-dramatischen Songs begeistern.
Ich fuhr also mit einer durchaus freudigen Erwartungshaltung zum Anna von Hausswolff Konzert. Die Schwedin mit ihren großen Orgelklängen in ihren Songs sollte mir eine weitere Dosis an musikalischer Herbstmelancholie verpassen. Auf The Miraculous, so lese ich, hört man eine Orgel mit 9000 Pfeifen. Das ist beeindruckend, das Album auch.

Auf ihrem neuen Album hat sie all das nun noch weiter perfektioniert: die Kirchenorgeln, ihren sakralen Gesang, den grollenden Bass. Als Inspiration diente ihr ein Fleckchen Erde, von dem ihre Eltern ihr immer erzählt haben und der für sie zu einem Ort voller Mysterien, Magie und Terror wurde, so ihr Label City Slang. Sie nennt diesen Ort: Miraculous. Genauso wie ihr neues Album.

Die Geschichte über diesen imaginären Ort Miraculous hörte ich vor einigen Tagen im Radio, als dort das neue Album Anna von Hausswolffs vorgestellt wurde. Himmel klang das spannend und interessant! Zuhause blieb ich beim ersten Hördurchgangs des Albums direkt an „Come wander with me/Deliverance“ hängen. Wow, was für ein Klangkloß. Es fängt an wie ein Kirchenstück, erinnert zwischendurch an Clannad, und wird, als das Schlagzeug einsetzt, zu einem irrsinnigen Drone-Metal Song. Und mittendrin immer die kieksige Stimme von Anna von Hausswolff. Sie erinnert mich spontan an Kate Bush. Während des Konzertes stelle ich dann fest, dass das live sogar noch deutlicher der Fall ist, als ohnehin schon auf Platte.
„Come Wander with me/Deliverance“ spielen sie auch im Gebäude 9. Es ist das herausragende Stück des Abends, an das in seiner Wucht und Intensität vielleicht nur noch „Deathbed“ heranreicht. Beide Songs sind so intensiv, dass ich nur fassungslos sein kann. Ich spüre den Sound zwar nicht körperlich, die Lautstärkenregler im Gebäude 9 sind eher auf moderat eingestellt, aber die Töne von Keyboard und die Gitarren schaffen es auch ohne körperliche Reizstimulationen, mich zu fesseln. Der Band gelingt es in diesen Augenblicken, ein solches Klangmonstrum aufzubauen, dem ich mich nicht entziehen kann. ‚Anna, play louder‘ ruft jemand während einer Songpause; ich empfinde das nicht für notwendig. Die Soundgüte ist ausreichend.
Als sich der Nebel auflöst und das sphärische blaue Bühnenlicht sich mit Weißlicht mischt, entdecke ich die übrigen Musiker. Gitarre und Keyboard links, Bass rechts, dazu das Schlagzeug hinten in der Ecke. Es ist dunkel auf der Bühne, die Deckenstrahler leuchten diffus. So dauerte es tatsächlich ein paar Songs, bis ich den Schlagzeuger ausmachen konnte. Ich hörte das Instrument zwar, aber ich sah es nicht.
Die Stimmung im Raum ist getragen, das Konzert strahlt eine unheimliche Ruhe aus. Das Gebäude 9 ist gut gefüllt. Bei ihrem letzten Besuch an gleicher Stelle war das noch nicht so, dies stellt auch die Schwedin fest und zeigt sich begeistert von so vielen Zuhörern. Die zeigten sich wiederum von den langen Instrumentalpassagen angetan, die das Konzert logischerweise mit sich brachte. Logischerweise deshalb, weil auf sich dem aktuellen Album ein Drittel der Songs nahe der 10 Minuten Marke bewegen, und weil Anna von Hausswolff es auch sonst weniger mit dreieinhalb Minuten Stückchen. Entsprechend gilt es, sich das Konzert zugänglich zu machen. Seichte Kost ist das nämlich nicht wirklich. Ein Anna von Hausswolff Gelegenheitshörer, so denke ich, tut sich schwer. Dabei ist die Zugangsformel eigentlich ganz einfach: Finde ich das Endlosintro des ersten Songs gut, gefällt mir auch alles andere. Erscheint mir jedoch da alles schon zu zähflüssig, überladen und träge, dann wird es ein anstrengender Abend. Denn erst nach einer halben Stunde kommt ein Popstück. Zumindest fühlt es sich so an. Waren die Songs zuvor mit wuchtig zarten Instrumentalintros und -outros vollgestopft, so zählte dieses Stück nur wenige Minuten. Kein Doombass, keine Geräuschorgie. Zum ersten Mal vibrierte und dröhnte es nicht. Aber auch zum letzten Mal. Ein paar Augenblicke weiter war mit „Deathbed“ und „Evocation“ wieder alles wie gehabt: Keyboard, Gitarre, Bass bilden eine Geräuschkulisse, die mich zeitweise ein bisschen an Sunn O))) denken lässt. Also die Kindergartenvariante von Sunn O))).
Kurze Zeit später war das Konzert vorbei. Eigentlich schade, denn an diesem Abend passte vieles zusammen und ließ das Konzert zu einem sehr guten Konzert werden. Immerhin oder wenigstens machte „Mountains crave“ als Zugabe die Konzertsache rund.
Ein sehr gefühlsreicher Abend war vorbei.

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