Ort: Vorst Nationaal, Brüssel
Vorband: Middle kids

‚Schon interessant, manche Leute stellen sich an, andere nicht‘, sagte das Mädchen vor uns in der Schlange vor dem Eingang des Palladiums. Sie meinte uns, denn wir gehörten gestern zu den anderen. Wir kamen von der anderen Seite und wollten nicht die 400 Meter bis zum Schlangenende durchlaufen, sondern reihten uns mittendrin ein.
Normalerweise gehöre ich nicht zu den Leuten, die sich unberechtigterweise Vorteile verschaffen und so ist es mir ein bisschen unangenehm, jetzt hier zu stehen und zu warten. Meine Entschuldigung ist: ich bin kränklich, mein Körper voll mit Grippostad und Meditonsin. Ich bin somit nur bedingt ich selbst. Und es ist kühl hier draußen, ‚lasst uns schnell ins heimelige Palladium‘, schrieen meine Körperzellen, und so wurde ich zu diesem Verhalten gezwungen.
Später höre ich, dass ich nicht die einzige schwächelnde Person bin. ‚Our drummer is feeling bad. He’s got the flu.‘, erzählte Kele Okereke im Laufe des Abends. Überhaupt erzählt er so einiges.
‚blablabla… wir fühlen uns gut …… blablabla. …es ist eine lustige Tour …..blablabla ……hoffentlich sehen wir uns im Sommer auf den Festivals……‘
Die übrigen Belanglosigkeiten hab’ ich vergessen. Ich kann mich nicht erinnern, ob Kele auch schon bei früheren Auftritten so „redselig“ war.
Als wir den Saal betreten, vergehen die letzten Klänge der Vorband Delphic. Die Motivation, sich heute Abend so zeitig aufzumachen, um beide Bands zu sehen, war nicht gegeben. Also schenkte ich mir den Aufgalopp, und sparte die Kräfte für 90 Minuten Bloc Party. So der Plan.
Vielmehr wurde es denn auch nicht. Das reguläre Set war nach einer guten Stunde beendet, anschließend gab es 2 Zugabenblöcke mit fünf weiteren Songs.

Bloc Party spielten eine gesunde Mischung aus allen drei Alben. Von den großen Hits fehlte einzig „Hunting for witches“ und „So here we are“ (was die Band aber live nicht mehr spielt). Dankenswerterweise verzichten sie auf ihre ruhigen, langsameren Stücke. So entwickelte sich ein durchgängig tanzbarer Abend, in dem die Gitarrensounds gegenüber den Keyboardklangteppichen die Oberhand behielten. Zwar wummerte bei „Talons“ und „Mercury“, den Stücken des neuen Albums, die Bassbox sehr ordentlich, so dass ich mir vorkam wie in einer üblen Großraumdisco aus längst vergangenen Tagen, doch Bloc Party hielten Maß und Kele Okereke gab die Gitarre nur bei einem Song aus der Hand.
„Mercury“ ist darüberhinaus live gespielt überraschend gut und catchy. Soviel Dynamik hätte ich dem Song nicht zugetraut. Ebenso das unsägliche „Flux“ (…und wir tanzen…“), im ersten Zugabenblock, entwickelt live seinen eigenen Charme. Generell war zwischen den alten und neuen Sachen kein stärkerer Bruch zu erkennen. Die neue Elektrolastigkeit, die Bloc Party mit ihrem neuen Album IntimityIntimacy nachgesagt wurde, war live nicht zu erkennen.

Aber waren Bloc Party nicht auch schon elektro, als sie noch keine elektronischen Klänge in ihren Songs hatten? Hier müsste jeder zustimmen. Folglich ist das neue Album kein musikalischer Bruch, sondern die zeitgemäße Umsetzung des markanten und einzigartigen Bloc Party Sounds. Falls es noch einen Beweis benötigt, gab es ihn gestern.
Live kommen alle drei Bloc Party Alben sehr harmonisch und zusammengehörig rüber. Von Stilbruch keine Spur.
Ansonsten wurde zu erwartendes geboten. Nun, das klingt jetzt wenig erfrischend oder überragend, und ja, so war es auch nicht. Ich empfand es als einen guten, aber nicht sehr guten Konzertabend. Das aha Erlebnis blieb aus. Überzeugten sie mich 2005 in der Live Music Hall mit einen kurzen, zackigen Auftritt und einem überragend spielenden Schlagzeuger, so lebte die 2007er Bloc Party Show von ihrer gut choreographierten Lichtshow. Beides vermisste ich bzw. fehlte gestern Abend. Bloc Party spielten routiniert ihren Part von 13 Songs plus 2 Zugabeblöcken, und das war es. Die Lichtshow gestalteten sie diesmal puristisch und simpel. Weiße, rote und blaue Scheinwerfer („Blue Light“) ohne große Installationen im hinteren Bühnenbereich.
Das reichte bei mir nicht, um in völligen Begeisterungstaumel auszubrechen. Den überließ ich den übrigen 4000. Der Grundtenor im Palladium ging um halb elf nämlich stark in Richtung: gutes bis sehr gutes Konzert. Für mich war es das definitiv nicht.
Ich glaube nicht, dass von diesem Konzert etwas im Gedächtnis zurückbleibt.
„We dance to the sound“. Aber das eher in Glasgow als in London.

Ach ja, Matt. Mit kurzer Hose und nacktem Oberkörper kann man sich im Winter in zugigen Bühnenkatakomben auch schon mal erkälten!

Setlist:
01. One month off
02. Trojan Horse
03. Positive Tension
04. Waiting For The 7.18
05. Price of Gas
06. Song for Clay
07. Banquet
08. Blue Light
09. Luno
10. Mercury
11. Uniform
12. This modern love
13. The Prayer
Zugabe:
14. Ion Square
15. Talons
16. Flux
17. Helicopter
Zugabe II:
18. Ares
19. Like eating glass

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Johannes

    Schöne Einleitung, vor allem die Einleitung mag ich sehr!
    Aber ich bin fälschlicherweise noch bei „Lesenswert“ verlinkt. ;)

  2. Micha

    Hallo Frank,
    dann warst du also doch da, hab dich leider nicht gesehen, aber waren ja eben auch doch paar Leutchen im Palladium. Ich kan deinen Bericht sehr gut nachempfinden, mir ging es ähnlich, wobei ich Bloc Party vorher noch nicht live gesehen hatte und eher positiv überrascht war. Ein bericht und Fotos von mir folgen noch, hab hier derzeit noch so viel liegen, ich denke mal Anfang der nächsten Woche kann man mit einem bericht auf Sparklingphotos rechnen :-)

    Viele Grüße und Allaaf
    Micha

  3. Iain

    das album heißt übrigens „Intimacy“ ;) Fand Bloc Party beim Konzert in Münster im Kino schon sehr klasse, wobei ich davon jetzt natürlich nicht auf das Konzert im Palladium schließen kann.

    Gruß und ein Helau aus Münster :)

Schreibe einen Kommentar