Ort: Stadtgarten, Köln
Vorband:

Benjamin Clementine

Edmonton, London.
Hier wuchs Benjamin Clementine auf. Über Edmonton gibt es an diesem Abend zwei Songs, die das Konzert elegant einrahmen. „Edmonton“, von seiner zweiten EP Glourious you, steht am Beginn des Abends, „Gone“, der Song handelt über Benjamin Clementine’s Weggang aus Edmonton, sehr am Ende der Setlist. Dazwischen lagen wundervolle und beklemmende Minuten mit 13, 14 Songs, die so einmalig und emotional dargeboten wurden, wie ich es selten in einem Konzert erlebt habe.
Als ich nach dem Haldern Pop Festival einen unheimlich begeisterten Post über den Auftritt von Benjamin Clementine gelesen hatte, schaute ich mir aus kurzzeitiger Langweile ein Video des Musikers an.
Benjamin Clementine? Mit dem Namen konnte ich direkt nichts anfangen. Also googlen. Google brachte mir als erstes das Video zu „Cornerstone“, und ich war beeindruckt, sehr beeindruckt. Was um Himmels Willen macht dieser junge Mann, den die halbe Welt mit ‚männlicher Nina Simone‘ taggt, da am Klavier und wie toll ist seine Stimme! Seine tiefe und warme Soul-Stimme ist es, die Clementines Klavierballaden das Besondere verleiht. Allein schon über das Video wird dadurch eine so beklemmende Stimmung vermittelt, der ich mich nur schwer entziehen konnte. Wie muss das dann erst live im Konzert sein?!


Ich googlte weiter, weil mich Benjamin Clementine immer neugieriger machte. Aufgewachsen in Edminton, mit 19 jahren nach Paris, obdachlos und Strassenmusiker, per Zufall entdeckt, Plattenvertrag, bisher 2 EPs veröffentlicht. Im nächsten Jahr erscheint sein Debütalbum. Das kann nur großartig werden, soviel möchte ich nach dem Konzert sagen und Benjamin Clementine wird damit sicher Musikerpreise einheimsen. Ja, ich war angefixt und der Gedanke, wie dieses „Cornerstone“ live rüberkommen mag, ließ mich nicht los.

Also Köln. Also Stadtgarten.
Modenschauen hat Benjamin Clementine bereits musikalisch untermalt, nun beschallte er den teilbestuhlten und nahezu ausverkauften Stadtgartensaal.
Es gibt keine Vorband. Auf der Bühne stehen ein Flügel und ein Barhocker. Das Saallicht ist schon schummerig und ein einzelner Bühnenspot strahlt schon leicht das Klavier an. Es ist angerichtet, aber es dauert eine Weile, bis Benjamin Clementine gegen kurz vor 21 Uhr die Bühne betritt. War vorher noch seichtes Klappern und Tuscheln zu vernehmen, ist es ab diesem Moment und für den Rest des Abends Mucksmäuschen still im Publikum; niemand räuspert, niemand klappert mit seiner Bierflasche, es liegt eine ganz besondere Spannung im Raum; fühlbar, aber unbeschreibbar.
Benjamin Clementine setzt sich auf seinen Hocker und startet mit „Edminton“. Die ersten Klavierpassagen vermitteln bereits einen schaurigen schönen Eindruck. Direkt im Anschluss folgt „Cornerstone“. Sprachlos lässt mich dieser Song im Stadtgarten zurück.

Its my home, home, home, home home home home home
Its my home, home, home, home home home home home

Benjamin Clementine presst die Worte hervor, ‚home‘ klingt dabei manchmal nach ‚hope‘, sicherlich bewusst. Grossartig! Ich bin jetzt schon Fan und so froh, dieses Konzert zu sehen.
Im Anschluss an „Cornerstone“ macht er die ersten Ansagen. Er flüstert sie mehr, als das er sie spricht. Alle lauschen angespannt und aufmerksam konzentriert. Im Saal ist es nach wie vor extrem ruhig. „Es sei so kalt, aber der Weihnachtsmarkt wunderschön“, und immer wieder zupft er dabei seinen Mantel zurecht, der seinen nackten Oberkörper bedeckt. Der Mantel, ein Markenzeichen bisher.

Es folgen weitere Songs, wahrscheinlich alle von seinem kommenden Album. Ich kenne sie nicht, aber das getragene Klavierspiel und seine dunkle Stimme lassen mich nicht los, ich versinke immer mehr in diesen Konzertabend.
In den Songpausen dann wieder Stille. Benjamin Clementine ächzt manchmal oder stützt sich wie ein gebrochener Mann mit den Armen am Flügel ab. Und er erzählt bedächtig Geschichten zu seinen Songs. In „Curriculum Vitae“ zum Beispiel ginge es um seine Zeit in Paris, als er händeringend nach Arbeit suchend und nach einer eher negativen Erfahrung seinen Lebenslauf schrieb.

Es überraschte mich, dass er so gesprächig ist. Seine Songs und sein Auftreten wirken so abwesend und unnahbar. Aber als Person ist Benjamin Clementine offensichtlich das genaue Gegenteil. Er sucht förmlich das Gespräch, bindet immer wieder das Publikum in den ersten Reihen mit ein, stellt Fragen, fragt nach bei Zwischenrufen.

Nach einer Stunde klingt das Konzert nach dem letzten Song. „Gone“, und der Abend scheint zu Ende. Aber nach sehr lang anhaltendem Applaus verlässt Benjamin Clementine nicht die Bühne, er lehnt nach wie vor auf seinem Barhocker und guckt nur in Richtung Bühnenrand. Gehen noch einige Songs? So könnte man diesen Blick deuten. Oh ja, die gehen noch. Drei weitere folgen, bevor der Brite die Bühne erstmals verlässt.

Vor der Zugabe erzählt er erneut etwas. Dann ruft eine Frau „Mathematics“. Benjamin Clementine hält kurz inne und sagt, dass er das eigentlich nicht spielen könne, weil er ja nur alleine auf der Bühne stünde und „Mathematics“ kein Soloklavierstück sei. Er spielt es trotzdem – es klingt toll – und ist nachher selbst auch angetan von der Solo-Version, dass er sich aufrichtig bei der Reinruferin bedankt, sich den Song gewünscht zu haben. Es folgt ein weiteres Stück, bevor „I won’t complaign“ den Abend beschließt.

90 großartige Klavierkonzertminuten sind vorbei. Ich bin schwer beeindruckt und gehe paralysiert in Richtung Bahnhof. Dieser Abend begleitet mich noch die halbe Nacht, immer und immer wieder muss ich „Cornerstone“ hören.

“The 24 year old marries the intimacy of Antony Hegarty with the passion of Aretha Franklin and the intensity of Edith Piath, delivering his introspective lyrics about integrity and vulnerability with an almost operative soul sensibility that recalls Nina Simone”
The Independent

Gutes namedropping! Spitzenkonzert!

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Gudrun

    Das klingt ja wirklich toll – muss ich wohl selbst auch mal versuchen, ihn live zu erleben.

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