Ort: King Georg, Köln
Vorband: Dazzle Ships

Ought

Es war noch Zeit, also konnte ich meinen Plan umsetzen, und dem King Georg einen zwar geplanten aber doch spontanen Besuch abzustatten. An diesem Abend sollte dort die kanadische Band Ought spielen.
Eine Band, deren Debütscheibe More than any other day ich in den letzten Wochen sehr oft hörte und höre. More than any other day ist aus komplett grandios, ich fürchte, einen schwachen Song gibt es auf diesem Album nicht.
Ought klingen wie Clap your hands say yeah zu ihrer besten Phase ohne die nervige Stimme des Sängers und wie Modest Mouse ohne deren Trantütenhaftigkeit. Ought sind da etwas knackiger, aber nicht zu knackig.

Auf Platte hatte ich die Band im weitesten Sinn dem Post Punk zugeordnet. Roh und scharf klingen die Gitarren, nölig der Gesang. Live aber ist das irgendwie anders. Im King Georg sind ihre Gitarren viel poppiger, die Musik klingt weniger nach Punk als vielmehr nach Pop. Oder wegen meiner nach Art Punk. Television fällt mir irgendwann ein. Keine Ahnung ob’s passt, aber es tut der Sache auch keinen Abbruch. David Byrne hatte ich bei Ought von Anfang an im Kopf, Tim Beelers Gesang erinnert in einigen Stücken („Habit“) stark an den Sänger der Talking heads. Live ist das weniger so, da taucht der Sprechgesang etwas ab und klingt weniger prägnant. Vielleicht lag es aber auch an der schwachen Aussteuerung. Zu Beginn fragte Tim Beeler mehrfach in die Runde, ob jeder seinen Gesang zu höre, um dann aber abschließend zu erklären, dass dieser gar nicht so wichtig sei.

Nach 10 Minuten bin ich erstmals baff. Wie konnten Ought nur in den ersten Minuten mit ihren zwei Hits starten? Riesenknüller sparen sich Bands doch für gewöhnlich eher für die Mitte oder das Ende eines Konzertes auf. Das Konzert mit „Today, more than any other day“ und „The weather song“ zu starten, fand ich mutig, aber auch überragend schön. Von der ersten Sekunde an wurde es so ein Riesenkonzert! Ought Songs schreien nach Bewegung, da muss irgendwas zucken oder zappeln. Durch den Wahnsinnsauftakt verfiel nicht nur ich direkt in den leichten Mittanz- und Wippmodus. Was eben so geht, wenn das King Georg randvoll ist. Das blieb auch so, denn im direkt nachfolgenden „Clarity“ fiel es mir dann wieder ein: Ought haben auf ihrem Debütalbum “More than any other day“ ja nur Hits, also war ein Spannungsabfall in den nächsten Minuten nicht zu erwarten. Und wer nur Hits hat, kann eben nur mit Hits in ein Konzert starten. Dem geschuldet bediente sich die Band aus Kanada in der guten Konzertstunde auch keiner Coverversion, um ihr Set aufzuhübschen. Sie spielten nahezu alles von More than any other day und noch zwei, drei Songs von einer just veröffentlichten EP.

„Here’s place for one more person“, trotz aller Fülle ging scheinbar direkt vor dem Mikrofonständer des Sängers noch was. Das war sicher der einzige Ort im Laden, wo niemand stand.
Oh ja, das King Georg war voll, sehr voll. Wie fast meistens und immer, wenn ich da bin. Die musikalische Auswahl des Klubs ist aber auch zu überragend, so dass sich dieser Zustand quasi wie automatisch einstellt. Und ein volles King Georg ist – na ja – kein guter Konzertort. So hatte ich dieses Mal wenigstens das Glück, eine kleine Sichtschneise zum Sänger zu erhaschen, er ist das einzige Bandmitglied, das ich an diesem Abend sehe. Die übrigen Musiker oder gar ihre Instrumente sah ich überhaupt nicht. Es müssen aber noch drei weitere Musiker auf der bodenebenen Bühne gestanden haben, denn zum einen sind Ought eine Vier Mann Band (oder besser eine Vier Jungs Band, denn auf Fotos sehen sie noch relativ jung aus) und zum anderen höre ich Schlagzeug, Keyboard und Bass. Tim Beeler spielt Gitarre.

Ought entdeckte ich im Frühjahr diesen Jahres über die Webseite anydecentmusic. Anydecentmusic ist eine Art Plattenbesprechungsmetadatencrawler. Wöchentlich werden hier die Plattenrezensionen wichtiger online- und offline Musikportale bzw. Zeitschriften zusammengeführt und ein Albumranking nach den Besprechungspunkten erstellt. Irgendwann tauchten hier auch Ought auf und die Metaanalyse von More than any other day. Ich hörte in das Album und schon war die Scheibe gekauft.

Die Band ist live toll. Das Konzert erscheint mir wie aus einem Guß, die Songs fließen scheinbar ineinander über und es bleibt beim Zuhören nahezu keine Zeit, über irgendwas nachzudenken. Zu sehr binden Ought meine Aufmerksamkeit, „Clarity“, „Habit“, „Pleasant heart“, all meine Lieblingsstücke des Sommers laufen einfach so durch. Und sie werden dabei ausgebaut: Das Repetitive in den Songtexten steigern Ought live um ein vielfaches. So wird der ruhige, langsame Beginn von „The weather song“ immer und immer wieder mit den Textzeilen “we’re sinking deeper” wiederholt, bis er sich endlich zu dem Popsong aufrafft, der er ist. Das ist jederzeit wunderbar und enorm unterhaltsam. Das scheinbar neue Stück „Beautiful blue sky“ setzt den vermeindlichen Schlusspunkt. Acht Songs haben sie bis dahin gespielt, ein neunter soll noch folgenden.

„It’s ten but we have one more.“ Tim Beeler schaut sich hilfesuchend und fragend nach den King Georg Verantwortlichen um. „Or do we respect the neighbours?“ Das Verantwortlichen geben grünes Licht und aus dem Publikum ruft jemand: „Fuck the neighbors.“. Mhh…

Setlist:
01: Today, more than any other day
02: The weather song
03: Clarity
04: Habit
05: Pleasant heart
06: New Calm, Pt. 2
07: Gemini
08: Beautiful blue sky

Die Vorband passte. Dazzle Ships aus dem Bonner Raum spielen das, was sie sicher auch privat gerne hören. Aber auch hier gilt das, was ich an ahuizotl so schätze: sie schaffen es, ihre musikalischen Vorlieben nicht einfach nur nachzuspielen, sondern irgendwie eigen klingen zu lassen. Die Dazzle Ships haben mir gefallen.

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