Manche Dinge entwickeln ihre eigene Komik, obwohl sie auf den ersten Blick gar nicht lustig erscheinen, sondern eher nach einem großen Ärgernis schreien.
Gestern Abend spielten Lambchop im Dortmunder Konzerthaus ein angenehmes „Akustikkonzert“. Lambchop 07112008Lambchop unplugged stand auf der Eintrittskarte, tatsächlich waren aber auch E-Gitarren und Stromkabel mit dabei, so dass semi-plugged der besser Begriff gewesen wäre.
Seit einigen Jahren veranstaltet die wunderschöne Philharmonie für Westfalen (eben das Konzerthaus Dortmund) die Reihe „Akustik-Pop im Konzerthaus“, Künstler wie Polarkreis 18, Tomte oder Brett Anderssen waren schon Gäste, und am gestrigen Freitag nun eben die amerikanische Band Lambchop.
Die Karten waren lange vorher gekauft, was sich als richtig erwies, denn es waren nur noch vereinzelt freie Plätze im Saal auszumachen. Wie ich einige Tage vorher beim I am Kloot Konzert erfahren hatte, wollte auch Konzertkollege Christoph vor Ort sein, und so freute ich mich auf einen schönen, entspannten Wochenausklang im Konzertsessel.
Doch Gott und die Strassenverwaltung NRW haben beschlossen, umfangreichste Baustellen auf der A1 zu installieren, und so sollte der Weg nach Dortmund ein weiter sein.
Um kurz nach halb sechs machte ich mich auf. Der Plan sah vor, um kurz nach sieben in Dortmund zu sein, einen Happen zu Essen und anschließend in aller Ruhe das Konzerthaus aufzusuchen.Lambchop 07112008
Um 19.18, ich stand mittlerweile schon längere Zeit im Stau vor Wuppertal Ronsdorf, entschloss ich mich, Christoph vorzuwarnen.
„Hi Christoph! Falls du auf dem Weg nach Do bist, meide die A1. Fahr besser über die A3 und A46. Ich steh schon ne Stunde vor Wuppertal. Frank“
Ich tippte gerade die letzten Zeilen, als mich folgende SMS erreichte:
Hi Frank, fährst du mit dem Zug? Wir stehen auf der A1 in einer Vollsperrung. Viele Grüsse, Christoph (19.18 Uhr).
Wir telefonieren kurz. Checken ab, wer wo steht (vor der Abfahrt Ronsdorf, linke Spur – die ist zügiger unterwegs – und hinter der Ausfahrt Ronsdorf, rechte Spur – später merkte ich, dass ich weit vor Ronsdorf stand) und verfallen in leichten Galgenhumor: „Wenn wir’s nicht schaffen, hören wir halt Oasis.“ „Genau, wir kurbeln die Scheiben runter und grölen laut mit.“ „Ach ne, doch lieber Lambchop.“
Alles weitere regelten wir dann per SMS:
Tut sich was bei dir (19.45 Uhr)
Die Wahrheit: Nein, hier nicht und 400 Meter weiter vorn auch nicht. Ich sag mal, wir schaffen es nicht mehr zeitig. (19:47)
Hier lief es kurz. Vollkommen unverständlich (19.49 Uhr)
So ist Stau. Ich hab Hunger. Ah, Bewegung in 200 Metern auf der linken Spur (19:51 Uhr)
Wir bekommen um halb von Thomas Info, wie lange die Vorgruppe spielt. Sage Bescheid. (19.55 Uhr)
Bin an der Unfallstelle. Es wird einspurig. (20:31 Uhr)
Jetzt noch, dann waren wir doch vor dir (20:34 Uhr)
Ja. Und jetzt haben sie wieder die Bahn dicht gemacht. Drei Autos vor mir! Ohh nein! (20:35 Uhr)
Verdammt. Danach läuft es gut. Melde mich, wenn ich etwas vom Beginn weiß. (20:37 Uhr)
Wir sind drin. Keine Ahnung wie lange die Vorgruppe spielt. Viel Glück, sage Bescheid. (21:04 Uhr)
Ich hör Oasis. Bin in Do City, such einen Parkplatz. Bis später dann (21:07 Uhr)
Hier kommen dauernd noch Leute rein. Sollte also klappen. Vorgruppe sehr wenig aufregend. (21: 10 Uhr)
Letztes Lied der Vorgruppe. Die dauern aber alle ewig. (21:26 Uhr)
Bin auch da. Linker Balkon direkt an der Bühne. (21:46 Uhr)

Lambchop 07112008Oasis rocken gut. Sie eröffnen mit „Fuckin‘ in the Bushes“, wie schon auf der letzten Tour. Es folgt „Rock’n’Roll Star, dann „Leila“, was Noel mit „A Nice one“ ankündigt. Das Gloria scheint auszurasten. Angekündigt wurde das Konzert von der Berufsjungenlichen-Blaupause Ingo Schmoll. Wie lange ist der eigentlich schon dabei? Ich denke, ewig. Hat er nicht schon Ende Anfang der 90er Musikfernsehen gemacht. Egal. „This is nice and cosy, isn’t it“ sagt Liam. Recht hat er, das Gloria ist wirklich sehr schön.
Kurt Wagner wird später etwas Ähnliches sagen.
Es folgt „The shock of a lightning“. Es sind meine letzten Radiokonzertklänge, ich finde einen Parkplatz und mache mich auf.
Als ich im Konzerthaus meinen Platz einnehme, bin ich gedanklich noch bei Oasis. Lambchop haben noch nicht begonnen, aber just in diesem Moment geht das Licht aus und die sechs Musiker um Kurt Wagner betreten die Bühne. Punktlandung, nennt man das wohl. So ganz kann ich mich noch nicht auf die ruhigen, mellow gespielten Songs einlassen. Ich habe Hunger und bin noch zu abgehetzt und gedanklich weit weg.
Aber das setzt sich. Als ich gegen halb elf auf die Uhr schaue, bin ich auch innerlich angekommen. Der Abend entwickelt sich ab jetzt zum Guten. Lambchop spielen sehr genau und sehr gelassen. Ab und an wird es ein bisschen lauter im Saal, meistens ist es aber träumerisch ruhig. Logischerweise ist der Klang hervorragend. Man hört sogar die einzelnen Pedalklicks, Lambchop 07112008wenn Gitarrist William Tylor mit dem Fuß die Knöpfchen drückt.
Zwischendurch werden einige Politikscherze gemacht. Die Erleichterung über Obamas Wahlsieg ist spürbar. „Erwartest du einen Anruf“, fragt Pianist Tony Crow Kurt Wagner, als der zwischendurch sein Cellphone aus der Hosentasche holt und einen prüfenden Blick drauf wirft. „Man kann nie wissen. Nur ein Kontrollblick. Vielleicht hat ja Barack angerufen.“ „Warum? Um anzufragen ob du Minister of Culture werden möchtest?“ „Ja, vielleicht. Well…“
Lamchop spielen gute zwei Stunden, und freuen sich mehrmals über das Ambiente. „It‘s a cool place, isn’t it?“ Ja, Kurt, ist es. Vielleicht ist es nicht so hipp und jung und ekstatisch wie bei Oasis, aber es ist auf alle Fälle gemütlicher als im Gloria.

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Multimedia:
Fotos: frank@ipernity
Setlist: konzerttagebuch.de
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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Sven

    Also…oasis im Gloria.
    Als „Fuckin in the Bushes“ läuft gibt es kein halten mehr, die Bier geschwängerte Menge wogt von links nach rechts, vor und zurück….Bier und Wasserbecher fliegen quer durchs Gloria und die Gebrüder Gallagher geben so druckvoll Gas das während der ersten fünf, sechs Songs kaum Zeit zum (durch)atmen bleibt. Die Menge macht Krach für mind. dreimal soviel …… „I´am the Walrus“ schwemmt mich schliesslich völlig benebelt in die Kölner Nacht und ich steh mitten auf der Strasse und weiss kurzzeitig nicht mehr wie mir geschehen ist …..

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