Ort: Philharmonie, Köln
Vorband:

Agnes Obel

U-Musik trifft auf E-Musik Konzertsaal Teil 2. Das passte schon besser. Klavier, Cello, Violine. Agnes Obel in der Kölner Philharmonie. Zusammen mit ihren Kumpaninnen Anne Müller aus Berlin und Sophie Bayot aus Belgien verzauberte die Dänin sehr knappe 90 Minuten lang sicherlich alle Anwesenden.
Im Herbst letzten Jahres startete ich meinen ersten Versuch, die Musikerin Agnes Obel live zu sehen. Angetrieben von ihrem sehr guten aktuellen Album Aventine wollte ich mir das intim, düstere und wunderschöne Klavierspiel der Wahlberlinerin in der Frankfurter Paulskirche nicht entgehen lassen. Ich stellte es mir toll vor, im sakralen Ambiente eines Kirchenschiffes sitzend die großen und kleinen Hits das Albums in mich aufzusaugen und wirken zu lassen. In Kirchenraum war meine persönliche Idealvorstellung eines Agnes Obel Konzertes. Aber wie das oft so ist, ich kaufte lange vor dem Termin eine Karte, freue mich wie Bolle und dann, ja dann kommt irgendetwas dazwischen. Was es im Herbst letzten Jahres genau war, ich erinnere nicht mehr genau, sicher irgendein Arbeitskram. Ich weiß nur noch, dass ich mit meinem Ticket, das ich dann verschenkte, jemanden glücklich gemacht hatte, der zuvor für die ausverkaufte Veranstaltung keines mehr bekommen hatte.
Als im Rahmen der c/o pop nun erneut die Möglichkeit bestand, Agnes Obel abseits der normalen Konzertorte zu sehen, war die Sache schnell geritzt. Anlauf Nummer zwei sollte doch klappen. Mir erschien die Philharmonie zwar etwas zu groß gewählt, und so wunderte ich mich nicht, dass ich noch zwei Wochen vor Termin eine mehr als ausreichende Platzwahl beim Ticketkauf vorfand. Umso überraschender war ich dann, dass die Philharmonie beinahe bis auf den letzten Platz besetzt schien. Einzelne freie Plätze oder gar größere Lücken konnte ich von meinem Platz aus nicht ausmachen, als ich mich durch die Sitzreihen eiernd und entschuldigend zu meinem Platz quetschte. Aventine ( das Album) hat nicht nur mich hinter dem Ofen hervorgelockt, und das zu dieser frühen Stunde, Konzertbeginn war um 20 Uhr, spärliche Alternativprogramm der c/o pop schien ein übriges dazu beigetragen haben, dass so viele den Weg in die Philharmonie fanden.
Ich hatte einen guten Platz gewählt, zwar etwas weiter weg im hinteren Drittel, aber mit hervorragendem Blick auf die meist knapp ausgeleuchtete Bühne und die drei Musikerinnen.
Agnes Obel begann mit einem Instrumentalstück, das ich nichtkannte. Vielleicht war es „Louretta“, ein Song vom 2010er Album Philharmonics, mit dem sie sehr oft ein Konzert beginnt. Im Anschluss folgte „Philharmonic“ und ab da war der Rest des Abends faszinierend und enorm einnehmend. Die klassische Instrumentierung Klavier, Cello, Violine, der elfenhafte Gesang, der wahnsinnig klare Klang, alles passte perfekt an diesen Ort und zusammen. Man merkte, dass die drei schon einige Auftritte gemeinsam bestritten hatten, ihr Spiel war phänomenal gut aufeinander abgestimmt.

Dies sei zwar ein klassischer Konzertsaal, so sagte Agnes Obel in ihren Begrüssungsworten, aber dies sei kein klassisches Konzert. Man könne also ruhig laut sein, aufstehen, reden oder schnarchen. Oh ja, sie sagte schnarchen! Das machte aber niemand, selbst ein Hüsteln war aus dem weitem rund nicht zu vernehmen.

Dafür zückten einige ihr Mobiltelefon oder Kleinbildkamera, um den ein oder anderen Erinnerungsschnappschuss zu erhaschen. Diese Versuche wurden jedoch vom sehr aufmerksamen Saalpersonal unterbunden. Popmusik im klassischen Raum funktioniert zwar, die Saal-Etikette eines solchen Ortes bleibt aber bitte auch bei einer solchen Veranstaltung bestehen. Gut, kann man so machen. Es blitzt ein Display auf und Sekunden später steht jemand in Uniform neben dir und bittet dich, nicht auf den Auslöser zu drücken bzw. das Gerät auszuschalten. Die Damen und Herren hatten einiges zu tun, sie machten ihren aber nahezu unbemerkt und gelassen.
Das passte schon, Fotos von Agnes Obel gibt es genug und die Beleuchtung war überdies nicht schnappschusstauglich. So ersparte einem das Personal den heimischen Ärger über nicht gelungene und verrauschte Aufnahmen.
Die Wahlberlinerin spielte in den kommenden Minuten einiges von Aventine und andere Sachen. Die einzelnen Songs waren in der Folge aber nebensächlich, das Gesamtkunstwerk Konzert drang mehr und mehr in den Vordergrund. Auch die Anzahl der Stücke und die Abfolge verkamen zur Nebensache. Es wurde ein traumhafter Vortrag, es wurde ein Konzert zum Träumen und, im positiven Sinne, zum wegdösen. Mit einem Handstreich hatte Agnes Obel den Saal im Griff. Alle lauschten ergriffen den klaviertönen, den sanft eingebauten Loops der Violinisten, den kleinen zarten Zupfgriffen der Cellistin.
Einmal wurde es lauter, „Dorian“ und weißes Scheinwerferlicht durchbrachen die musikalische Stille und die ansonsten vorherrschende rot-blaue Schummerbeleuchtung.

„Riverside“, „Words are dead“ oder „Chords left“, all das funktionierte sehr, sehr gut. Mein Sitzplatz im hinteren Bereich lud mich förmlich dazu ein, mehrmals die Augen zu schließen, den Kopf an die Sessellehne fallen zu lassen und bedächtig zuzuhören. Einfach nur zuhören. Nichts denken, nichts machen. Sitzen und hören. Nur der alle drei bis vier Minuten auftosende Applaus riss mich aus diesen Momenten. Und so verging die Zeit wie im Flug, im Schwebezustand zwischen träumen und beeindruckt sein.
Nach „Riverside“ kündigte Agnes Obel die letzten beiden Songs an. Viel zu früh, viel zu früh. Draußen regnet es doch bestimmt und es ist noch nicht einmal halb zehn.

Das Abendzuckerstückchen folgte in der Zugabe. Das sehr schöne John Cale Cover „I keep a close watch“ ließ mich sehr versöhnlich stimmend zurück. Alles gut! Licht an, Spot aus.

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