Paul Weller und Band spielen „All you need is love“ am Ende eines mehr als zweistündigen Konzertabends im Washingtoner 9:30 Club. Mehr brauchen wir auch nicht mehr.
Was für ein Abend. Erst die Rifles, die, wenn es besser für die Band aus London gelaufen wäre, Maximo Park sein könnten, und anschließend Paul Weller auf einer Bühne. Um dieses britischste aller Pakete sehen zu können, bedurfte es keiner Reise ins UK, nein, die Wassermenge, die ich überquerte, war ungleich grösser. Washington DC, und hier genauer im 9:30 Club sollte es passieren.The Rifles 13092008
Der 9:30 Club ist die erste Konzertadresse der Hauptstadt. Am Montag spielten hier die Kooks, in der nächsten Woche Mogwai, Build to Spill und die Meat Puppets.
Als ich vor einigen Wochen das Ticket für diesen Abend buchte war ich mir nicht sicher, was mich erwarten würde. Haben es britische Bands nicht traditionelle schwer in den USA Fuß zu fassen, wenn sie nicht The Beatles heißen? Wie wird also die Atmosphäre sein? Kennt man hier überhaupt eine Band wie die Rifles?
Der 9:30 Club liegt im Norden der Stadt, in unmittelbarer Nähe zur U Street, dem derzeit ziemlich angesagten Kultur-Melting-Pot der Stadt.
Gegen kurz vor 20 Uhr tauschte ich meinen Internet Voucher gegen das Ticket ein und stellte mich in die wartende Menschenschlange vor der Eingangstür. Diese „Will call“ Geschichte ist wirklich extrem einfach, Ticket übers Netz gekauft, Gutschein ausgedruckt und am Box Office gegen die Tickets eingetauscht. Sehr bequem.
Am Einlass noch schnell den „Ich-darf-Alkohl-trinken-weil-ich-bin-über-21“ Stempel abgeholt und hinein. (Ja, auch deutlich älter aussehende Menschen wie ich müssen ihren Ausweis vorzeigen!)
Rifles 9:15, Weller 10:30 stand auf den Zetteln, die überall herumhingen. Wer bereits Konzerte in den USA besucht hat weiß, dass diese Zeitangaben gut eingehalten werden. The Rifles 13092008
21 Uhr 15. Joel Stoker, Rob Pyne, Grant Marsh und Lucas Crowther betreten die Bühne. The Rifles beginnen fulminant mit „Local Boy“, „Robin Hood“ und „She’s got standards“. Ich habe ihr Album „No Love lost“ länger nicht gehört, aber die Ohrwürmer, und davon gibt es auf dem Album einige, erscheinen mir nach wie vor sehr vertraut. Was haben sie bloß so lange gemacht? 2006 erschien ihr bisher einziges Album, fortan war es eher ruhig um die Band. Doch heute Abend spielten sie einige neue Songs. Das lässt auf ein neues Album hoffen! Und das wäre gut, denn das erste Album zeigt, dass in der Band eine Menge Potential steckt.
Ob The Rifles in den Staaten viele Freunde haben, ich weiß es nicht genau. Der Club war während ihres halbstündigen Gigs halbvoll, einige schienen aber sehr vertraut mit den bekannten Rifles Songs zu sein.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren die vier Rifles die bestangezogesten Männer im 9:30. Aber Fashion Paule sollte ja noch folgen. Nach einer gut halbstündigen, zügigen Umbaupause ging’s weiter.
Paul Weller 13092008Doch was war das?! Die Stilikone war relativ unspektakulär mit einem schwarzen Kragenshirt und dunkler Hose gekleidet, und auch die Frisur saß nicht perfekt. Sollte das auf einen eher hingeschluderten Abend deuten?
Paul Weller legte sofort los. Am Anfang wirkt er immer nervös, die Bewegungen staksig und abgehackt. Die ersten drei Songs „Out of the sinking“, „Peakock suite“ und „22 dreams“ gingen weg wie nix.
Leider ist der Sound unterirdisch. Der Gesang total übersteuert, Keyboard und Bass sind fast gar nicht zu hören. Alles klang sehr unausgewogen, und viel besser sollte es im Laufe des Abends auch nicht werden.
Die vier sind bester Laune. Es ist eines ihrer letzten Konzerte der siebenwöchigen Asien-,Australien- und Us-Tour. Alle freuen sich auf zu Hause. Doch bevor es Richtung Richtung UK geht, wollen alle nochmal so richtig einen drauf machen. Eine gute Entscheidung, und eine bessere ist die, dieses an diesem Abend auf der Bühne zu tun. So haben wir auch was davon. Wir sind gut 1000 Leute, der 9:30 Club erscheint nicht ganz ausverkauft zu sein. Mit „Shout to the top“ (Paul kündigte ihn simpelst mit „an old song“ an) ist die Band endgültig angekommen. Von dem Moment an war der Bann gebrochen, das zuvor noch eher Paul Weller 13092008abwartende Publikum war nun völlig begeistert. Paul Weller und Kollegen schienen das zu spüren und entwickelten eine sagenhaften
Spiellaune.
Nach einer Stunde verschwanden sie zum ersten Mal von der Bühne. War es bis hierher schon ein gutes Konzert, muß jetzt der Superlativ her. Ich habe keine Ahnung, was hinter der Bühne abging, aber ab sofort wurde es eine einzige große Party mit Fußballstadionatmosphäre auf der Bühne. Es wurden vier Hocker auf der Bühne platziert. Aha, Akkustiksession.
Drummer Steve Pilgrim griff jetzt auch zur Gitarre und lieferte obendrein den zweiten gesangspart. Paul nannte ihn „the man with the 1000 wings“. Die beiden scheinen sich zu mögen. Während er Akkustiksession schmiss Herr Weller spontan die Setlist, als er losgelöst nach „All on a misty morning“ einfach weiterspielte und der Bassist vergeblich seinen Kontrabass installierte. Irritiert griff er daraufhin zum E-Bass und begleitete hiermit. „War das schon die Abteilung Zugabe?“, fragte ich mich nach einem kurzen Blick auf die Uhr. Nach einer guten Stunde Spielzeit hätte es ja gepaßt.
Paul Weller 13092008Doch wie gesagt, es war ein Abend der Superlative. Irgendwann zündete sich Paul eine Zigarette an. Ja ja, da hatten die Washingtoner Spaß. Hier raucht einer auf der Bühne eines Klubs, wo man doch sonst nicht nur erst draußen, sondern erst in einigem Abstand von der Eingangstür draußen rauchen darf. Angetrieben von Steve Cradock lief Paul Weller zur Höchstform auf. Oft sprachen sich die beiden ab, änderten die Setlist oder machten waghalsige Ausflüge in den Songs. Aus dem Rückraum unterstützte mit ausdrucksstarkem Schlagzeugspiel Steve Pilgrim die Szenerie. Saß Paul Weller am Piano links am Bühnenrand, feuerte er seine Kollegen von der Seite aus
an: hüpfend, rauchend, Cola plus x trinkend. So, als wolle er immer mehr….Paul Weller 13092008
Gegen Ende des regulären Sets gab es immer wieder Umarmungen und high-fives. Haben die hier gerade die Champions Legue gewonnen, oder was waren zu viele Aufputschmittel im Essen? Es herrschte eine unglaubliche Stimmung. Sogar Chefroudie Roger kam nicht umher, den Refrain eines Songs mitzusingen, als er mal wieder eines der vielen Saiten-Plättchen am Mikrofonständer von Paul Weller befestigte. Und da er gerade auf der Bühne stand, gab’s das Geburtstagsständchen zu seinem heutigen Geburtstag obendrein.
Es folgte ein Zugabeblock mit den abschließenden „The changingman“ und „A town called Malice“. Es war aber noch nicht Feierabend, einen hatten sie noch: ein letztes Mal kamen sie zurück, „All you need is love“.
Die Rifles, die die Show vom Bühnenbalkon aus verfolgten, alle im Club und wahrscheinlich ganz Washington sangen mit: „All you need is love, bababababaaa“

Setlist:
01. Peacock Suit
02. 22 Dreams
03. Out Of The Sinking
04. All I Wanna Do (Is Be With You)
05. From The Floorboards Up
06. Sea Spray
07. Happy Birthday Roger
08. Shout To The Top
09. Wild Blue Yonder
10. Empty Ring
11. Invisible
12. Have You Made Up Your Mind
13. Porcelain Gods
14. Picking Up Sticks
15. Wishing On A Star
16. The Butterfly Collector
17. All On A Misty Morning/Magic Bus!
18. Wild Wood
19. Echoes Round The Sun
20. Come On, Let’s Go
21. Broken Stones/Oh Happy Day!
22. The Changingman
23. Town Called Malice
24. All You Need Is Love

Multimedia:
Fotos: frank@ipernity und frank@ipernity (The Rifles)
Video: –
Lesenswert: dcist.com
Archiv: Paul Weller – Köln, 18.09.2007

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