Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: The Megaphonic Thrift

Stephen Malkmus and the Jicks

Beim Betrachten der letzten Setlisten der aktuellen Stephen Malkmus and the Jicks Tour geriet ich enorm ins schwärmen. Nicht nur alte Pavement Gassenhauer fanden sich darunter, sondern auch so obskure Cover von The Offspring und logische Cover von Boston und anderen Classic Rock Bands. Frankfurt schien diesbezüglich den Vogel abgeschossen zu haben, eine Zugabeliste fast so lang wie das normale Konzert. Wow!
In Berlin kochten Malkmus und Kollegen dagegen eher auf Sparflamme, und als ich von diesem Konzert hörte kam in mir eine Theorie auf, die für den Kölner Abend nicht unbedingt gut ausging. Stephen Malkmus wohnte in Berlin (mittlerweile nicht mehr, wenn ich dem Internet glaube) und hat dort so sicherlich noch viele Bekannte. Die wollte er vermutlich alle wiedersehen und hielt so den Konzertabend in einem normalen Maß. In den anderen Städten ist die Bekanntenmarke wahrscheinlich geringer, also kann die Band auch mehr Zeit auf der Bühne verplempern.

Und Köln? Nun, Hier gibt’s ebenso eine Reihe von bekannten und Freunden, die Spex schreibt gar in ihrer Besprechung zum aktuellen Stephen Malkmus and the Jicks Album „Wig out the jagbags“ folgendes:

„Zur weiteren Verwirrung trägt eine Liste mit Inspirationsquellen bei, die Malkmus vorab veröffentlichte: Deutschland, und da in erster Linie Köln stehen darauf, Can und Gas, Rosemarie Trockel, Jan Lankisch,…“

Gut, also auch viele Freunde in Köln. Nach meiner Theorie wird es dann ein eher überschaubarer Konzertabend. Und manche Theorien benötigen nur wenig empirisches Material zur Verifizierung, denn genau so kam es. Nur Beck’s „The golden age“ und zwei, drei Pavement Klassiker bildeten dass non-Jicks Rahmenprogramm.

Eine erste kleine Enttäuschung, können doch Malkmus’sche Spontancover und wirres Gitarrengeniedel so herrlich erfrischend und lustig sein. Denn genau deswegen mag ich Stephen Malkmus in seinen drei Variationen so sehr. Egal ob mit Pavement, solo oder den Jicks, es gelingt ihm immer, sich selbst beim Musikmachen nicht so ernst zu nehmen. Bei Konzerten wird viel Selbstironie verteilt und jegliches Verspielen lachend weggetan.

So war es auch dieses Mal, symptomatisch hierfür eine Szene vor „Share the red“, als die Bassistin Joanna Bolme lachend die Arme in die Höhe reißt, als ihr Leadgitarrist nach anfänglichem Geplinker und leichtem Verspielen doch noch irgendwie die richtige Tonreihenfolge und Melodie zum Song trifft. „Yeah, er hat’s“, sagte diese nicht ganz ernst gemeinte Geste. Großartig, für diese Momente allein lohnt ein jedes Malkmus Konzert.
Und es gibt viele ähnlicher Momente, wenn sich zum Beispiel die anderen Musiker fragend anschauen, der Gitarrist blickt dann zum Schlagzeuger, dieser zur Bassistin und diese auf die Finger von Malkmus. „Was er macht er jetzt wieder? Was kommt nun für ein Zwischenspiel?“ sagt dann dieser Blick, und „Wie komme ich da mit“. Meistens klappt es irgendwie, vom freien Gejamme in den nächsten Song zu huschen, aber einmal jedoch ist Joanna Bolme völlig raus. Als dritten Song der Zugabe spielten sie nach kurzer Absprache „The Golden age” von Beck. Ein wunderbarer alter 90er Klassiker, mit dem aber die Bassistin just nichts anfangen kann. „Was ist das“ fragte sie den Gitarristen Mike Clark, als dieser Song als nächstes abgesprochen wurde. ‚Wir spielten das heute beim Soundcheck‘, kam es zurück. Das allein reichte ihr aber scheinbar nicht als Gedächtnisnachhilfe, nach wenigen Minuten verabschiedete sich der Bass aus dem Song. Das machte aber überhaupt nichts, denn Malkmus stiftete unter den anderen beiden Musiker noch weiter Verwirrung, indem er einige Zeilen eines anderen Beck Songs einbaute und kurze Zeit gänzlich in seiner eigenen Welt spielte. Das war erneut großartig, und genauso müssen seine Konzerte sein.

Was live so wunderbar anzuschauen ist, ist auch auf CD ein großer Spaß. Meine Lieblingszeile aus „Wag out the Jatbag“ steht in „Scattergories“: ‚Condoleezza’s rice – scattered on the floor‘. Das hat Qualitäten!

Der Stephen Malkmus and the Jicks Auftritt im Gebäude 9 auch. Ein paar Songs brauchte die Band, um sich zu akklimatisieren. Der Anfang war gemächlich, erst als Joanna Bolme die Arme hochreißt, kam etwas mehr Schwung in den Abend. War „Share the red“ schon famos, kamen anschließend mit „Lariat“ und „Senator“ die besten Konzertmomente.
Mhh, nur zwei? Irgendwie schon, denn die Jicks spielten leider nahezu ausschließlich Songs der letzten beiden Alben. Und das tat dem Abend nicht immer gut. Ich finde das „Wag out the Jatbag“ ist das schwächste Malkmus Album der letzten Jahre. Es hat mit „Lariat“, „Shibboleth“ und „Scattergories“ (das sie leider nicht gespielt haben) zwar Welthits, aber auch einige Längen. „The janitor revealed” oder „Chartjunk” gefallen mir nicht so. Weder auf Platte noch live. In Kombination mit längeren Gitarren waren das dann auch die schwächeren Momente im Gebäude 9 und gute Zeitpunkte, ein Getränk zu kaufen. Aber der Weg in den Vorraum war weit und der Saal doch sehr gut gefüllt, so dass ich erst gar nicht auf diese Idee kam. Und überhaupt, als Fan steht man auch die weniger euphorischen Momente durch; was für den Fußball gilt, gilt für Lieblingsmusiker schon lange. Trotzdem hätte ich mir gegen Mitte des Konzertes schon die ein oder andere lustige Coverversion gewünscht.

Die Zugabe war dann versöhnlich: „Box elder“ mit Bassistin Joanna Bolme und Schlagzeuger Jake Morris im Rollentausch erinnerte nicht nur wegen der ähnlichen Figur von Jake Morris an Mark Ibold und damit etwas an die gute alte Zeit. Auch das Beck Cover war große Unterhaltung und „Houston Hades” ist, als einer der besseren Songs von „Wag out the Jatbag“, eh grandios.
Trotz der zeitweiligen unspektakulären Phasen war es ein guter Abend, der durch die 90er Jahre Revivalband The Megaphonic Thrift perfekt komplettiert wurde. Die Norweger, die uns vorher wärmstens ans Herz gelegt wurden, überzeugten voll und waren alle Vorschusslorbeeren wert. Ihre Musik war ein bisschen Dinosaur Jr., etwas My bloody Valentine, Screaming Trees und was sonst alles damals noch hip war. Best of both worlds quasi. Das ist nicht neu (auch wenn der letzte Song der Megaphonic Thrift „Neues“ hieß) , aber toll.

Es gilt, The Megaphonic Thrift weiter im Auge zu behalten.

Kontextkonzerte:
Primavera Sound Festival – Barcelona, 27.05.2010
Pavement – Berlin, 19.05.2010, Columbiahalle
Pavement – Nijmegen, 06.07.2010, Doornroosje
Pavement – New York, 21.09.2010, Summerstage Central Park
Pavement – New York, 23.09.2010, Summerstage Central Park
Stephen Malkmus – Köln, 09.06.2012, Museum Ludwig
Stephen Malkmus & The Jicks – Köln, 20.08.2012, Gebäude 9
Stephen Malkmus & The Jicks – Berlin, 27.01.2014, Postbahnhof

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar