Ort: Live Music Hall, Köln
Vorband: Styrofoam

Death cab for cutie,Köln,Konzert,Review,Konzertbericht

Mitunter kommt es vor, dass einem eine Band, obwohl sie in das eigene „Interessensspektrum Lieblingsmusik“ fällt, durch die Lappen geht. Man kennt den Namen, streift ab und an Magazinberichte oder Internetlinks, lässt aber darüber hinaus alles unversucht, diese Band näher kennenzulernen. Man denkt, ‚ja, ich weiß wie die klingen, ich les das ja immer, das passt nicht.‘ Bis man erkennt: ‚das passt ja doch‘.
Meist geschieht der Gedankenwandel über den Umweg eines Nebenprojektes. The Postal Service heißt das Nebenprojekt des Death cab for cutie, kurz DCFC Sängers Benjamin Gibbard, die dazugehörige CD Give up steht seit ihrem Veröffentlichungsmonat im CD-Regal und wurde und wird von mir sehr oft gehört. Im April kam dann der Punkt, als ich den Schritt weiterging. Ich besorgte mir We have the facts and we’re voting yes von DCFC. Plans und Narrow Stairs folgten im Juni. Die Chemie stimmte. Rasch wurden wir Freunde, alle drei Alben laufen rauf und runter. Erste Lieblinge wurden schon herausgefiltert. Es kommt zusammen was schon eher hätte zusammenkommen sollen. Endlich, möchte ich denken!
Ein Mittwoch im Juli. Die neuen Freunde spielen in der Live Music Hall. Teenagerpublikum hat sich eingefunden. Death Cab for Cutie sind bekannte Hunde. Spätestens seit dem sie für einschlägige TV Serien wie Six feet under oder O.C. Hintergrundmusiken lieferten und als Lieblingsband des Serienhelden herhalten dürfen (O.C.), kennt man sie auch in Deutschland.
So kommt es nicht von ungefähr, dass die Live Music Hall gestern abend komplett ausverkauft ist. Schön zu sehen, dass so viele Leute musikalische Geschmackssicherheit beweisen, aber einen sommerlichen Hallenkonzertbesuch macht das zur körperlichen Tortur. Um zehn nach acht steht die Luft bereits, gefühlte 40 Grad schlagen mir ins Gesicht. Die schönen Styrofoam verdienen es aber, dass man ihnen zuschaut. Die drei aus Antwerpen stammenden Musiker machen herzerfrischenden Indiepop. Styrofoam – extradierter Polystyrolschaum der als Wärmedämmstoff für den Einsatz im erdberührenden Bereich verwendet werden kann (sagt der Baufachmarkt) – ist das Baby von Arne von Petergem, der sich für die ein oder andere Aufnahme gerne die Stimme musikalischer Freunde ausleiht. U. a. standen neben Ben Gibbard (daher wohl die Verbindung und der gestrige Support) Markus Acher und Jim Adkins auf seiner Gästeliste.
Live übernimmt Arne den Gesangspart, dessen Stimme mich auch spontan an eine andere Band erinnerte; leider weiß ich noch immer nicht, an welche. Referenzen wie Stars oder Joy Zipper fallen. Das trifft es, wie immer, nur teilweise und in Sequenzen, gibt aber einen ersten guten Anhalt.
Styrofoam passen perfekt ins Beuteschema der DCFC Zielgruppe und werden gebührend aufgenommen.
Zwanzig nach acht verlassen sie die Bühne und ich hoffe auf eine schnelle Umbaupause. Der Schweiß läuft und läuft, mit jeder Minute wird die Warterei qualvoller. Doch meine Hoffnung wird nicht erfüllt. DCFC beginnen um kurz nach neun.
Mit dem ersten Schlagzeugschlag sind alle Qualen passe. Das Konzert ist großartig und jeden geflossenen Schweißtropfen wert. Von Anfang an fühle ich mich gefangen. Niemand kann sich diesen wundervollen Momenten entziehen. Ich harre aus und genieße. Vergessen die gefühlten 45 Grad.
Keiner hier bewegt sich, niemand verlässt seinen Platz. Nicht nach einer Stunde (einem guten Zeitpunkt, um ein Konzert in frischerer Luft und mit einem Getränk in der Hand entspannt zu Ende zu schauen), nicht nach 75 Minuten am Ende des regulären Sets.
Die vier aus Seattle sind nassgeschwitzt, ihre Hemden kleben am Körper. Aber sie kommen wieder. Für drei oder vier Zugaben, ich weiß es nicht mehr genau. Der Moment dauert noch an. Er überdauert auch den ersten Zugabeblock. Noch sind wir nicht entlassen, und noch immer verlässt niemand seinen Platz in den vorderen Reihen. Noch einmal, für das wunderbare „Transatlanticism”, kommt der Moment zurück.
Dann geht das Saallicht an. Erst jetzt löst sich langsam alles auf, läuft der grandiose Abend nochmals im Zeitraffer in Gedanken ab. Gab es wirklich nur Hits? Na ja fast, Überbrücker oder Lückenfüller fallen mir jedoch gerade auch nicht ein. Es passte also. Glücklich und beseelt verlassen wir die Live Music Hall.
Nach kurzer Irrfahrt durch das nächtliche Köln, mit einem Abstecher auf die A57 – auf was für Ideen doch so ein Navigationsgerät kommt – erreichen wir den Bahnhof. Fahrplanmäßig fährt der Zug: jetzt. Doch auf die Bahn AG ist Verlass. Eine halbe Stunde Verspätung wird signalisiert. Alles ist gut.
Ein verpasster Zug würde auch nicht zu diesem Abend passen. So nimmt der Tag ein Ende, das er verdient hat: ein gutes Ende.

Kontextkonzerte:

Schreibe einen Kommentar