Ort: Rockhal, Esch-Alzette
Vorband: Austra

Radiohead hat es schwer. Was ich vor einigen Wochen nie und nimmer geglaubt habe, ist eingetreten. Die Sache mit dem Konzert des Jahres ist bzw. war noch nicht entschieden. Vor einigen Wochen dachte ich, nachdem mich Thom York und Kollegen sprachlos in der Kölnarena stehen liessen, das war es jetzt, ein besseres Konzert kann dieses Jahr nicht mehr kommen. Aber denkste, ich hatte die Rechnung ohne die drei Londoner gemacht.
Zu großartig und zu atemberaubend war das Konzert, was ich am Freitag in Luxemburg erleben durfte, als dass es nicht am Chartplatz Radioheads kratzen könnte. Nein, die Würfel sind noch nicht gefallen. Und das, obwohl es eigentlich kein besonderes The xx Konzert war. Es war so wie immer.
Ich habe mich an diesem Abend einmal mehr verliebt, in den wummernden Bass von Oliver Sim, in die wunderbar gleichgültig erscheinen asynchron gesungenen Duette zwischen ihm und Romy Madley Croft, in die coolsten Frickeleien Großbritanniens von Jamie Smith, einfach in alles. „Angels“ zu Beginn und „Stars“ zum Ende des Konzerts, was soll ich sagen. Wer über diese beiden Songs nicht mit offenem Mund staunt und bittersüße Melancholieschübe erlebt, der ist kein Mensch.
„Nimm aber einen Stuhl mit.“ Wüsste ich es nicht besser, müsste ich sagen, dass diejenige Person, die mir diese Worte kurz vor der Abfahrt nach Luxemburg mit auf den Weg gab, ebenso wenig ein Mensch sein kann. „Nimm aber einen Stuhl mit.“ Ich musste lachen und verständnislos mit dem Kopf schütteln. Nein, dazu fiel mir nichts ein.
Ich hatte mir das Luxemburger Konzert der xx’e ganz bewusst ausgesucht. Da es an einem Freitag stattfand und noch dazu in einer Jahreszeit, in der man noch gefahrlos durch die Eifel fahren kann – also gefahrlos hinsichtlich der Witterung, der Eifeler an sich ist ja zu jeder Jahreszeit extrem an angriffslustig – entschied ich mich sehr emotionslos für die tolle Rockhal und gegen das schlimme Palladium. Heute bin ich natürlich schlauer, ich hätte mir für beide Konzerte Tickets kaufen sollen.
Die Rockhal ist einer der angenehmsten und besten Konzertorte, die ich kenne. Leider liegt sie zweieinhalb Autostunden entfernt, so dass es mir nicht möglich ist, öfters dort hin zufahren.
An Tagen wie letzten Freitag bin ich sehr für den Lückenschluss der A1. Diese elende Gurkerei über die B51 ist immer nervig, erst recht bei nieseligem Herbstwetter. Ich war zeitig in Esch-Alzette, denn neben den üblichen Verdächtigen hatte sich auch eine kleine schweizer Einpersonendelegation für den Abend angesagt. Da wir uns nicht so oft sehen galt es, die Zeit zu nutzen. Das bedeutete zu allererst Unterhaltung und Essen, dann Musik. Während des Essens erfuhr ich, dass das The xx Konzert in Zürich binnen 20 Minuten ausverkauft gewesen sei, Calexico in Basel so schlecht nicht waren und französische Zugbegleiter eher von der komischen Sorte seien. Gegen halb acht unterbrach uns eine sms. Es würde langsam voll werden in der Rockhal, hieß es. Also sahen wir zu, das wir loskamen. In der Rockhal war es für luxemburgische Verhältnisse wirklich voll. Die ersten 20 Reihen waren mittig besetzt, am Rand aber noch locker Platz um nach vorne zu gelangen. Auch das macht Konzerte hier so angenehm, egal wer spielt, es ist nie so richtig eklig voll und ein Platz in den vorderen Reihen immer locker zu erreichen. Jegliche Eile war also unnötig. Aber wer konnte das ahnen.

Bevor die xx‘e die Bühne betreten sollten, spielten die kanadischen Austra. Ich kannte die fünfköpfige Band vorher nicht, fand aber den dreistimmigen elfenhaften Frauengesang genau ab Song drei nervig. Allerdings war ich unkonzentriert und schon hibbelig aufgeregt wegen des The xx Konzerts. Also tue ich der Band sicherlich unrecht, wenn ich sie vorschnell und emotionslos in einem Satz abhandle.
Oh ja, ich freute mich seit Tagen wie Hulle auf diesen Abend. Seitdem ich The xx vor drei Jahren im Luxor gesehen habe und sie mich nötigten, „Stars“ dreimal in Folge im Auto sitzend vor der Wohnungstür zu hören, bevor ich aussteigen konnte, ist es um mich geschehen. Ich bin großer Fan.
Und bisher wurde ich nie enttäuscht. Weder von den Liveauftritten noch von ihrem zweiten Album „Coexist“, welches viele als schwach ansehen. Ich finde es grossartig.
„Angels“ und „Heart skipped a beat“ eröffneten den Abend. Wow. Kurz danach „Crystalized“ in einer etwas anderen Version als auf Platte. Drei Hits hatten sie damit schon direkt am Anfang des Abends rausgehauen. Ich war gefangen. Schon jetzt war mir klar, an diesem Abend passte alles. Der Bass, der sich hier noch zurückhielt aber zu „Missing“ seine volle Wucht raushaute, die Lichter, die jegliche Gefühlslage perfekt aufnahmen und visuell zementierten, als müsse das Konzertbauwerk Jahre überdauern, der bekannt zurückhaltende Gesang, aneinander vorbei, ineinander übergehend.
Was konnte da noch mehr kommen?
Nun, es kamen einige neue Sachen, die das ganze etwas beatlastiger gestalteten. Songs schlossen sich jetzt nahtlos aneinander an, „Sunset“, „Night time“, „Shelter“. Das waren die neuen xx’e. Ein hauch mehr Beats, ein hauch weniger Minimalismus. A propos neu: Ihre Bühnenpräsenz hat sich gewandelt. Es war mir schon in Barcelona aufgefallen, dass gerade Oliver Sim viel offener auf das Publikum reagiert als noch bei der Tour zum ersten Album. Das tut ihnen gut und es nimmt gleichzeitig nichts von der Magie ihrer Songs.
Mit „Infinity“ und durchdringenden Bässen beendeten The xx ihr Set. Traumhaft schön. Aber es fehlte noch „Stars“, mein absolutes Lieblingslied. Es kam als letzter Song des Abends, zum großen Finale. Was ist die Steigerung zu traumhaft schön? Das war es nämlich!

Kontextkonzerte:
Primavera Sound Festival – Barcelona, 31.05.2012
The xx – Köln, 26.08.2010
Pavement, The xx – Primavera, 27.05.2010
The xx – Köln, 15.10.2009

Multimedia:
flickr Fotos

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