Ort: FZW, Dortmund
Vorband:

Die Ausrede, neue Platten von Konzertgebern nicht zu kennen, wird seit Spotify schwieriger. Wie schnell ist hier ein Album durchgehört, ein musikalisches Meinungsbild zusammengeklickt.
Als ich am Wochenende zum ersten Mal Spotify nutzte fragte ich mich, welches Album ich denn hören sollte. Nach kurzer Abwägung fiel die Wahl auf Olli Schulz aktuelle Platte „S.O.S. Save Olli Schulz“. Die kannte ich noch nicht und am Freitag wollte ich sein Konzert im Dortmunder FZW besuchen, da würde es mit einem Vorabcheck gut passen. Wie gesagt, die Zeiten des unvorbereiteten Konzertbesuchs scheinen vorbei….
So ein Vorabcheck hat aber auch einen kleinen Nachteil. Nämlich den, dass man von neuen Songs enttäuscht wird und so die Freude auf ein Konzert getrübt werden könnte. „Hoffentlich spielt er nicht so viel von den neuen Sachen“, ein Satz, den ich schon öfter gehört habe und der Vorfreuden dämpfen kann. Meistens sind zwar alle Befürchtungen überflüssig, aber unbewusst bin ich nach solchen Sätzen skeptischer und es ist erst mal am Musiker, mich direkt zu überzeugen und alles gut werden zu lassen. Ganz nach dem Motto: Nee, stimmt gar nicht.
Und noch ein Satz zu Spotify: Irgendwie finde ich es komisch, mir ohne zu zahlen aktuelle und weniger aktuelle Alben von Musikern anhören zu können. Bücher lese ich ja auch nicht im Buchladen und lege sie dann wieder zurück.
Zurück zu Olli Schulz. Sein neues Album kam mir nach dem ersten Hören ich in großen Teilen etwas schwächer als die Vorgängeralben vor. Eine Information, bei der es mir gereicht hätte, sie während des Konzerts zu erfahren. Nun gut, glücklicherweise leben Olli Schulz Konzerte zwar hauptsächlich, aber nicht nur durch und von seiner Musik. Olli Schulz ist bekanntermaßen auch ein großer Unterhalter, ein Geschichtenerzähler sondergleichen. Wer einmal ein Olli Schulz Konzert besucht hat, wird das bestätigen können. Aber auch hier liegt die Krücke im Detail. Wenn man Olli Schulz zu oft live sieht, kennt man alle Geschichten über Rammstein, Metaljugend und so weiter und der Erzählwitz geht verloren. Dieses sollte mir jedoch in Dortmund nicht passieren. Neues Album, neue Tour, neue Geschichten. Das ist zumindest das, was Olli Schulz hier verspricht. Von daher fand ich ein so la la „S.O.S.“ Album nicht allzu ärgerlich.Nachmittags lese ich noch ein Spiegelonline Interview.

SPIEGEL ONLINE: Herr Schulz, Sie bezeichnen Ihre neue Platte „SOS – Save Olli Schulz“ als Geschenk an die Menschheit. Ein Anflug von Größenwahn?
Schulz: Überhaupt nicht. Ich beschreibe nur, was bei jeder neuen Platte geschieht: Ich schreibe Songs, die mein Leben widerspiegeln, und bis sie veröffentlicht werden, gehören sie mir allein. Danach gehören sie aber auch den Leuten, die sie hören. Ich trete dadurch mit ihnen in Kontakt. Und in diesem Sinne versuche ich sie der Welt zu schenken.
SPIEGEL ONLINE: Glauben Sie, dass der weibliche Teil der Welt ein Lied mit dem Titel „Halt die Fresse, krieg’n Kind“ wirklich für ein Geschenk hält?
Schulz: Das hoffe ich. Das Lied ist überhaupt nicht sexistisch gemeint, sondern es richtet sich gegen diese passive Weltschmerz-Haltung, dieses Emo-Getue und diese Hobby-Depressionen. Das ist mir zu bequem. Wer der Welt wirklich helfen will, der soll was unternehmen. Die Idee zu dem Songtitel entstand bei einem Interview nach dem Bundesvision Song Contest vor drei Jahren. Da interviewte mich dieses Indie-Mädchen und fand, ich sei nicht mehr „indie genug“. Irgendwann habe ich zu ihr gesagt: „Hast du keine anderen Probleme? Krieg’n Kind! Halt die Fresse!“ Mir sind ein bisschen die Nerven durchgegangen.
SPIEGEL ONLINE: Der Welt helfen – was tun Sie denn selbst?
Schulz: Ich will die Leute glücklicher machen. Mit meinem Humor und meinen Songs. Das ist alles, was ich kann.

Die Geschichte aus dem Spiegelinterview erzählt Olli Schulz auch an diesem Abend. Überdies hatte ich den gefühlten Eindruck, dass er mehr erzählt als er spielt. Die Zahl von 15 Songs in guten 100 Minuten Konzert scheint mein Gefühl zu bestätigen.
So beginnt der Abend denn auch mit Worten. Olli Schulz hält eine „Brandrede“ gegen das aggressive Telefon- und Kamerafilmen auf Konzerten. Er erzählt von seinem Gig in Cottbus oder Magdeburg, wo er – schöngeredet – vor 50 Leuten spielte und einer von ihnen immer wieder nur fürs Filmen direkt an den Bühnenrand kam. In einer Diskussion mit dem Zuschauer versuchte Olli Schulz ihn davon zu überzeugen, dass man magische Momente nicht auf Elektrochips bannen kann und er die Filmerei doch sein lassen möge. Seine Argumente schienen jedoch zu schwach, sie hielten hielt den Zuschauer nicht davon ab, weiter zu filmen.
Leider ist das Video auf YouTube nicht auffindbar, es wäre doch zu schön, diese Diskussion, die ebenso mitgefilmt wurde, anzuschauen. Sei es wie es ist, in Dortmund zeigte sein „gegen filmen auf Konzerten“ Statement Wirkung. Niemand zückte sichtbar seine Kamera oder das Mobiltelefon, um Momente festzuhalten.
Sich mit Olli Schulz anzulegen, dass traute sich niemand. Erst später zu Hause fiel mir ein, ein Zwischenruf wie „halt die fresse krieg’n Kind“ wäre ein schöner Konter gewesen. Frei nach Noel Gallaghers: Shut up and play ‚One‘. Olli Schulz mit den eigenen Waffen schlagen, das wär’s gewesen.
Musikalisch war ich da schon auf den Abend eingestimmt. Quasi als Intro sah ich in einem Filmchen Olli Schulz als Roadie, untermalt von Peter Maffays gleichnamigen Song. Hach, das paste herrlich und führte zu einigen Lachern. Das Video eröffnete per Laptop-Beamershow den Abend und die Computermaus blieb neben der Akustikgitarre das einzige Arbeitswerkzeug an diesem Abend.
Olli Schulz kam als Ein-Mann-Armee ins Dortmunder FZW. Es sei dies eine kleine Solotour zur Plattenveröffentlichung, im Herbst gäbe es dann einige Konzerte in Bandbesetzung. Das wusste ich nicht, ich hätte es aber zuvor auf seiner Homepage lesen können. So freute ich mich über die Bestuhlung im Saal. Singersongwriter Konzerte im Stehen können nämlich extrem anstrengend werden und unnötig Unruhe hervorrufen. Davon hätten dann weder Musiker noch standfestere Zuhörer etwas. Also hinsetzen und Klappe halten, das passt besser und funktionierte im FZW sehr gut.

„S.O.S. Save Olli Schulz“ war das Grundthema des Abends. Dreiviertel der Stücke stammten vom aktuellen Album. Und zu fast jedem hat Olli Schulz eine kleine Geschichte parat. Und das er der großer Entertainer, hat er auch an diesem Abend gezeigt. Alle Anekdötchen zu erwähnen oder gar wiederzugeben halte ich für unnötig, allein, ich würde sie gar nicht auf die Reihe bringen.
Wenn es nach mir ginge, könnte er den ganzen Abend erzählen, mir würde es nicht langweilig werden. Obwohl, „Unten mit dem King“ (hat er gespielt) oder „Rückspiegel“ (hat er nicht gespielt) würde ich vermissen.

Während seines Auftritts flimmerten drei Bildchen über die Bühnenwand, jeweils von Olli Schulz persönlich per Mausklick ausgewählt. Etwas Bühnenshow wollte er uns schon bieten. Liebling der Massen war Bild Nummer zwei seiner Diashow: Fauli das Faultier. Ab Song Nummer drei kam es zum Einsatz und begleitete uns fortan durch den gesamten Abend. Die anderen beiden waren weniger spektakulär.
Fauli hätte eine gewisse Ähnlichkeit mit Kevin Großkreutz, merkte ein Zuschauer an, ich entdeckte eher eine mit Olli Schulz. Ah ja, Fußball war ein Thema, genau wie Farin Urlaub, Olaf Schulzenberger, 1000Mark Andre und natürlich Till Lindemann. Und so verging die Zeit mit Geschichten und Musik. Zweimal kam Olli Schulz zurück, und in der letzten Zugabe brachte er dann das von meinen Sitznachbarn sehr erhoffte „H.D.F.K.K.“.

Als ich nach Hause fuhr war ich mir unschlüssig. War es nun ein gutes Konzert oder „nur“ ein solides? Magische Momente entdeckte ich für mich keine, gelangweilt habe ich mich aber auch nicht. Aber das geht per Definition eines Olli Schulz Konzertes auch gar nicht.

Setlist:
01:
02: Schrecklich schöne Welt
03: Spielerfrau
04: Wenn es gut ist
05: Phosphormann
06: Ich dachte du bist es
07: Unten mit dem King
08: Koks und Nutten
09: Bettmensch
10:
Zugabe:
11: So lange einsam
12: Die Ankunft der Marsianer
13: Saunaaufguss Lankwitz
Zugabe II:
14: H.D.F.K.K.
15: Bloß Freunde

Zum nachhören auf Spotify inklusive „Roadie“: klick.

Multimedia:

Kontextkonzert:
Olli Schulz – Köln, 29.04.2009

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