Wer kann schon von sich behaupten, bei den musikalisch gewordenen Sorgen, Nöten, Wünschen und Erlebnissen eines jungen Mädchens dabeisein zu dürfen. Mehrere hundert Menschen, meist im gleichen Alter wie die Protagonistin auf der Bühne, können die Frage mit ja beantworten. Kate Nash war gestern im Rahmen ihrer ersten Kontinent-Headlinertour zu Besuch in Köln, und das geplante Prime Club Konzert musste wegen reger Kartennachfrage in die Kantine verlegt werden. Die war folglich ausverkauft.
Kate Nash erzählt Geschichten aus der Vorstadt. Geschichten über Sommersprossen, betrunkene Teenager und unglücklichem Verliebtsein. Schön nachzulesen im Booklet der CD, und damit’s auch jeder versteht gibt es die deutsche Übersetzung – gesponsert von New Yorker, die sich dadurch sicherlich eine Steigerung des Röhrenjeans- und Haarreifumsatzes versprechen – gleich mit dazu. Man erfährt so einiges aus dem Kate Nash Kosmos. Da steht sowas wie:

„Mich so anzusehen, wie du noch keine andere angeschaut hast;
Erzähl mir bloss nicht, dass du nicht meinen Hintern abchecken wolltest;
Denn ich weiss, dass du es versucht hast, weil dein Freund mir erzählt hat, dass du ihn gutfandest.“
(Merry Happy – Froh glücklich).

So funktioniert sie, die Identifikation des Publikums mit Katie. Musikalisch ist es überdies noch hinreissend zuckersüsser Mädchen-Folk-Pop mit Attitüde. Strassenpoesie im nicht akzentfreien Nordlondoner Dialekt. Mike Skinner für Mädchen!
Die Kantine, irgendwo zwischen A57 und B9. Lange nicht mehr hier gewesen. Das letzte Mal vor sieben oder acht Jahren, damals noch in der alten Kantine. Die neue Kantine ist ein sehr angenehmer, guter Konzertort mittlerer Grösse. Ich war spät dran, der Saal rappelvoll. Draussen auf einer Bank lag bereits – von Sanitätern betreut – das erste Ohnmachtsopfer. Hysterie.
Drinnen dann noch mehr Mädchen. Doch die waren nicht alleine gekommen, einige hatten ihren Freund mitgebracht. Die fanden Kate Nash zwar gut, aber nicht überragend toll. Daher langweilten sie sich schnell und konnten gerade mit den nicht „Foundation“- affinen Stücken wenig anfangen. „Jetzt könnte sie mal wieder was schnelleres spielen, ich werd‘ müde.“ oder „Ist das auf der CD? Kenne ich gar nicht.“ hörte man ab und an von links oder rechts. Und man konnte gut lauschen, denn der Sound von der Bühne war verhältnismässig leise. Unterhaltungen in normaler Lautstärke waren möglich, so dass die Nachbarschaft auch noch was davon hatte. Ob sie wollte oder nicht.
Vorne erzählte Kate Nash, das am Abend zuvor in München zum ersten Mal zu ihren Songs gecrowdsurft wurde. Prompt wurde ein Mädel beim nächsten Stück durch die vorderen Reihen getragen. Als Dank (Belohnung?) bekam sie von Kate ein Plastikblümchen aus der Bühnendeko geschenkt. Darüberhinaus gab es wenig spektakuläres. Kate Nash sass entweder hinter ihren Keyboards oder spielte Akkustikgitarre. Schlagzeuger, Bassist und Gitarrist verrichteten ihre Arbeit, hielten sich aber dezent im Hintergrund. Kate Nash KantineDas Bühnenbild bestand aus einem schicken Neonschriftzug vor einem roten, in der Mitte geteiltem Vorhang. Sehr schlicht, sehr dezent, aber 100%ig passend.
Das Konzert begann kurz nach zehn. Katie und Band mussten ja erst noch aus Bochum, wo sie bei der 1live Krone auftraten, nach Köln chauffiert werden. Zu Klängen des Musicals Der Zauberer von Oz kamen sie auf die Bühne. Ab jetzt galt: Voller Fokus auf die Hauptperson. Und die heisst Kate Nash. Wegen ihr sind alle hier, auf sie ist alles ausgerichtet. Nach einiger Zeit merkt man, wie sie sich mit dem Publikum identifiziert, oder das Publikum mit ihr. „Ich bin so wie du“, sieht man sie sagen. Oder: „Lasst uns zusammen einen schönen Abend haben. Ich bin deine Freundin.“ Sie steht nicht aussen vor, sie ist mit dabei. Einziger Unterschied: Katie steht auf der Bühne und nicht vor der Bühne.
Es war ein typisches „erstes Album“- Konzert. Nach 80 Minuten war das Reportoire erschöpft und alles gesagt. Dem Publikum war’s egal, es freute sich, dass es Kate Nash live gesehen hatte und war entsprechend begeistert. Mir war es auch egal, denn es war ein durchwachsener Konzertabend ohne längere Gedächtnisverweildauer. Man brauchte nicht unbedingt mehr. Erwartungen wurden erfüllt, Klischees bedient.
Trotzdem war es kein schlechtes Konzert. Es war okay.

Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein. Möchtest du? Und bist du ein Mädchen zwischen 17 und 25 Jahre? Dann lasse dir die Haare in etwa schulterlang wachsen und entscheide dich für einen Seitenscheitel mit schräg von hinten nach vorn gekämmten Pony. Fertig.
Die Haarschnitts-Uniformitätsdichte war extrem hoch gestern abend. Aber es gibt schlimmeres, auch frisurentechnisch.
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Multimedia:
– Fotos: christoph | subtle sarcasm
– Video: –
– Lesenswert: LesMad | meinzuhausemeinblog


es läuft: Sarah Bettens – Scream
via FoxyTunes

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