Es war ein klischeefreier Abend gestern in der Kulturkirche. Julian Plenti aka Paul Banks, auch bekannt als Frontmann der Band Interpol, spielte Songs seines Solodebüts „Julian Plenti…is skyscraper“.
Wer die Möglichkeit hatte, Interpol schon mal live zu erleben, weiß um den Live- Coolnessfaktor der Band. Kaltes, rückseitiges Bühnenlicht, das den Fan mehr blendet als die Bühne ausleuchtet und vier in schwarzem Zwirn gekleidete Musiker, die scheinbar emotionslos ihr Set runterspielen. Aber genau sieht man das ja nicht. Interpol, eine der fantastischsten, wichtigsten und newyork-esken Bands der ersten 00er Jahre des Jahrtausends.
So passt es, dass alle Musiker mit Models befreundet sind. Paul Banks hat natürlich noch einen draufgesetzt. Nicht irgendein Model, nein, wenn schon ein Model zur Freundin, dann die schöne Helena Christensen. Der Sänger ist halt per Definition der coolste in der Band.
Im Sommer hat Paul Banks / Julian Plenti in sein Debüt veröffentlich. „Mit ganz viel Interpol drin“ stand in einer Rezension über das Album. Das stimmt, Songs wie „Only if you run“ oder „Games for days“ erinnern stark an seine Hauptband, aber es gibt auch die anderen Stücke, die sich vom Interpolsound lösen.
Und nun kam er für zwei Konzerte nach Deutschland. Für uns war klar, da gehen wir hin. Auch wenn die Karte 30 Euro kostet, was uns viel für maximal 45 Minuten Konzert vorkam. Aber egal, Qualität, nicht Quantität ist das Maß der Dinge. Und sind Konzerte unter einer Stunde nicht eh‘ die besten? Aber wieso nur 45 Minuten? Was soll die Theorie?
Nun, ich konnte mir nicht vorstellen, dass Paul Banks es länger tun wird. Cover wird er nicht spielen, Interpol Songs schon gar überhaupt nicht. Bleibt das eigene Material und das füllt eine dreiviertel Stunde. So in einem Satz die Vorstellungen vor diesem Konzert von diesem Konzert.
So kam kurz die Idee auf, nach dem Konzert noch im Gebäude 9 vorbeizuschauen, wo Mark Lanegan mit den Soul Savers ein Konzert spielen sollte. Vom Zeitansatz her schien es möglich, Paul Banks ist um viertel vor zehn durch, und Mark Lanegan startet nicht vor zehn. „Das macht sein Biorhythmus gar nicht mit“, war ein schlüssiges Argument.
Aber wie so oft auch hier: Fiktion und Wirklichkeit gehen nicht immer überein. Die Theorie war nicht nur grau, sie war falsch!
Julian Plenti und Band, zusammengesetzt aus Musikern, die ihn auch bei den Plattenaufnahmen unterstützt haben, spielten eine gute Stunde und sie spielten dreieinhalb Coverversionen. Ein tolles („Into the white“), ein blödes („A horse with no name“) und ein instrumentales (den Opener „Mythsizer“). Und ein halbes.
Die Kulturkirche war nicht sonderlich voll. Das überraschte mich und es überraschte mich auch nicht. Denn neben Mark Lanegan und den Soul Savers im Gebäude 9 gastierten im ausverkauften Palladium Dave Grohl, Josh Homme und John Paul Jones mit ihrem neuen Bandprojekt „Them crooked vultures“. Das waren ebenbürtige Veranstaltungen und für Köln eine nicht alltägliche Eventhäufung.
Das wir uns frühzeitig für die Kulturkirche entscheiden haben, sollte sich aber nicht als Ärgernis herausstellen. Logisch, ich weiß natürlich nicht wie toll Josh Homme im Palladium gesungen hat oder wie düster es im Gebäude 9 war, aber Julian Plenti hat mir gefallen und ich fand es einen gelungenen Abend. Viel besser konnten die anderen Konzerte nicht sein!
Paul Banks kam mit einer schwarzen Gibson Les Paul. Das Instrument stand ihm gut und spiegelte treffend die Gegebenheiten des Abends wieder. Nüchterne, schlichte Eleganz in entspanntem Ambiente. Ein gutes Thema für die Vorweihnachtszeit und eine nahezu perfekte Voraussetzung für einen „erholsamen“ Konzertabend. Ja, es war ein sehr sehenswertes Konzert.
Dass Paul Banks auch als Julian Plenti funktioniert, liegt an seiner ausgeprägten Bühnenpräsenz. Er hat diese besondere Art, auch ohne viel Drumherum (wenn ich das auf Interpolauftritte beziehen darf) Interessantheit auszustrahlen. Im Bandrahmen unter gleichberechtigten kommt dies nicht so rüber, aber als mehr oder weniger Alleinverantwortlicher Julian Plenti ist diese Eigenschaft nicht nur hilfreich sondern eben auch deutlich spürbar. Das hätte ich so nicht unbedingt erwartet, und so war nach kurzer Zeit klar, dass der Abend sich lohnen wird, egal wie lange er dauern möge.
Die Atmosphäre war kuschelig, die Band machte ihren Job und es bildete sich diese wohltuende, ruhige, vorweihnachtlichpassende Stimmung. Julian Plenti spielte wohldosiert. Nicht zu laut, nicht zu hektisch, nicht zu gesternreich. Ebenso wie seine Musiker am Schlagzeug, Bass (Dmitry Ishenko) und Cello (Yoed Nir). Einzig der Gitarrist im Achselshirt tanzte (!!!) aus der Reihe. Er machte den Unterschied, weil er sein Gitarrenspiel sehr theatralisch untermalte und enormen Bewegungsdrang verspürte. Neben mir murmelte jemand etwas von „heavy-metal Gitarrist“. Im Vergleich zu den anderen vier passend.
Die Band schien generell guter Dinge. Als der Schlagzeuger irgendwann zu seinem Getränk griff, grinsten alle. Hatten sie ihm was reingemixt? Trinkt er sonst nie? Diese Fragen werden nie beantwortet werden. Sie sagten mir aber, hier spielt ein sich verstehendes Kollektiv mit spass an der Sache.
Als achten Song spielten sie „Only if you run“, eines meiner Lieblingslieder der letzten Monate und ich war mir sicher, dass dies das Ende des regulären Sets sein würde. Doch weit gefehlt, es folgten noch zwei Songs, bis ich mir bei „Skyscraper“ erneut sicher war, das es das jetzt aber war. Jedoch wieder falsch gedacht, so schnell wollten sie scheinbar nicht die Bühne räumen.
Erst „Goodbye Toronto“ beschloss nach guten 45 Minuten das Set. Den Song starteten sie mit einem zehn Sekunden Anspielcover von Sammy Cahns „Let it snow“ (das halbe Cover). Und wurde im Mittelteil nicht auch ein Interpol Songschnipsel eingebaut? Ich mag mich auch irren….
Als Zugabe dann noch drei Songs, darunter das unsägliche Cover „A horse with no name“ (ich mag schon das hippiesk klingende Original nicht) und das tolle „Games for days“, welches den Abend ausläutete.
Mittlerweile war es halb elf. Mark Lanegan spielte ohne uns im Gebäude 9.

Multimedia:
Fotos: frank@flickr

Kontextkonzerte:
Interpol – Köln, 19.11.2007

Pearl Jam – Düsseldorf, 22.06.2007
Interpol – Köln, 11.05.2007

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