Ort: Jahrhunderthalle, Bochum
Vorband: Moke

Lass uns nicht über die unglücklichen Anfahrtsumstände sprechen, und lass uns nicht über die schöne, aber für Konzerte eher ungeeignete Jahrhunderthalle reden. Es ist ein riesiger Schuhkarton, in dem, wenn man zu spät ankommt, nur noch das Motto ‚hinten anstellen‘ gilt. Durch die langgezogene Bauweise der alten Fabrik mit den Eingangsbereichen auf nur einer Längsseite hat man so gut wie keine Chance, sich am Rand in vordere Bereiche vorzumogeln. (siehe auch: Palladium) Und hinten meint, im Fall der Jahrhunderthalle, ganz weit hinten. Das Gebäude ist ewig tief und im ausverkauften Zustand gefühlt mit 28000 Menschen besetzt. Tatsächlich waren es 3500 (1live Angaben).
Wir waren pünktlich zu spät um acht vor Ort. Ein kurzer Blick in die Halle genügte, um festzustellen dass es ein Konzert aus den hinteren Regionen werden wird. Und wir sahen Steve Craddock auf der Bühne. Sehr ärgerlich, nirgends stand im Vorfeld geschrieben, dass der begnadete Steve schon vor 20 Uhr Auftritt. Ihn wollte ich nicht verpasst haben, nun reihte sich dieses Dilemma in den bisherigen blöden Abendverlauf passend ein.
Moke waren der zweite wichtige Grund für diesen Konzertbesuch. Die Niederländer hatte ich zuvor im Weller’schen Vorprogramm gesehen und dort haben sie mich sofort überzeugt.
Im Nachbarland ist die Band bereits eine feste Größe, und Auftritte vor zahlreichem Publikum Alltag. Das merkte man den fünf Kollegen, wie immer uniform in schwarzen Slim-Fit Hemden und Anzugshosen gekleidet, sehr deutlich an. Akklimatisierungsprobleme hatten sie keine, die Größe der Halle schüchterte sie nicht ein. Sofort setzte die (bei uns kleine) Band mit großen Gesten Duftmarken. Das wirkte abgeklärt. Musikalisch ist die Affinität zu Bands wie Keane, Mansun. den Editors oder Paul Weller unverkennbar. Pop heisst das Rezept.
Ihr Set war sechs oder sieben Songs lang. Alle Hits des Debütalbums Shoreland waren vertreten. Durch die Bank wurden die Stücke rockiger und rauer als auf CD zu hören, präsentiert. Das klang gut, passte teilweise sogar besser zu den Songs. „This Plan“, das zweite Stück des Abends, was zu Beginn sehr Editors-lastig ist, war so einer. Oder „Here comes the summer“, dass mich bei jedem hören an The Mission erinnert.
Es war ein feiner Auftritt, allerdings war er so schnell vorbei, das ich ihn kaum genießen konnte. Sehr gespannt bin ich auf ihr Kölner Konzert in ein paar Wochen. Moke sind in ihrer Ausrichtung eher eine Band für größere Bühnen. Mal schauen, ob das ganze auch im heimeligen Gebäude 9 funktioniert. Ich habe da Bedenken, aber zu gegebener Zeit mehr darüber…

Dann Amy Macdonald.
Das 70 Minuten Set war solide, gut hörbar und hübsch anzusehen. Aber es war unspektakulär. Amy ist nun ein Star, gewinnt den Echo, wofür sie sich nochmals bedankte, und hat einen weiteren Fernsehauftritt bei Stefan Raabs WOK WM. Genauso wie das klingt, fühlte sich der Abend an.
Interessant war das Publikum, das am Treffensten mit „Wetten, dass…“- Publikum beschrieben werden kann. Von jedem etwas dabei: Junge, Alte, Gelegenheitskonzertgänger und Enthusiasten, eine lustige inhomogene Masse. Es machte Spaß, die einzelnen Typen zu beobachten. Denn ehrlich gesagt fiel mir hier im hinteren Teil der Jahrhunderthalle, die Bühne war schon verdammt weit weg, die Konzentration auf die vorderen Geschehnisse schwer. Ablenkungspotential war denn auch genug vorhanden: Menschen, die sich immer noch über die Vorband beschweren, Paare, die Discofox tanzen oder Männer, die sich einfach nur permanent unterhalten. Wollen die denn nicht Amy Macdonald hören? Ich hatte mir denkbar schlechten Platz ausgesucht, es kam aber auch alles zusammen!
Musikalisch war ich enttäuscht. Mir gefällt die Umsetzung ihrer Songs in den Stadienkontext mit den entsprechenden Zutaten (Mitklatschaufforderungen, E-Gitarrensoli) nicht. Das passt nicht zusammen. „Footballer’s wife“ und all die anderen Songs verlieren vieles von ihren inneren Werten.

Amy’s Mr Brightside zum Beispiel zieht seinen Charme aus der reduzierten Akkustvariante. Erst so wird die Klasse dieses Songs und das musikalische Feingefühl der Schottin erkennbar. Leider wurde „Mr Brightside“ völlig zerspielt, indem er mit kompletter Band und in einer angerockten Variante vorgetragen wurde. Das war zu nah am Original und eher nachgespielt als zitiert. Amy, es ist eine schlechte Entscheidung, diesen Song so zu interpretieren. Besser kam die zweite Coverversion rüber, gleichzeitig erste Zugabe. „Dancing in the dark“ war Amy pur. Alleine, sich selbst auf der Gitarre begleitend, stand sie auf der großen Bühne und war mit sich und ihrer schönen, dunklen Stimme allein.
So hatte ich sie vor guten anderthalb Jahren im Vorprogramm von Paul Weller kennen- und lieben gelernt. Doch so wird es sie wahrscheinlich nicht mehr geben. Ich finde es schade, denn so mag ich die klasse Songs am liebsten hören.

Setlist Moke:
01. We’ll dance
02. This Plan
03. Last Chance
04. Bygone
05. Here comes the summer
06. The long way

Kontextkonzerte:
Amy Macdonald – Köln, 06.03.2008 / Gebäude 9
Paul Weller – Köln, 18.09.2007 / Theater am Tanzbrunnen

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