Ort: Gloria Theater, Köln
Vorband:

John Grant

Queen of Denmark. In der Nähe der Nordsee habe ich John Grant kennengelernt. Es war auf dem Rolling Stone Weekender vor drei Jahren, es war an einem Freitagabend um 23 Uhr. Sein Konzert war im ursprünglichen minigolfschuppen der Anlage angesetzt, der kleinsten Konzertsaal des Weekenders. Aus Mangel an Alternativen, dass gebe ich unumwunden zu, haben wir uns damals entschieden, sein Konzert zu sehen. Viel kannten wir vorher nicht von John Grant, außer, dass er was mit den Midlake Leuten zu schaffen hat, die Stunden vorher auf der großen Zeltbühne auftraten. Als er sich dann ans Klavier setzte und sein damals aktuelles Album „Queen of Denmark“ spielte, waren wir begeistert. „Sigourney Weaver“, „Marz“ wow, Klassesongs und große Hits. Das John Grant Konzert wurde so schnell eines der herausragenden Auftritte des gesamten Wochenendes. Das die Vorgeschichte zu diesem Konzertabend.
Sonntagsabendmelancholie. Es fällt mir jedes Mal unheimlich schwer, mich Sonntagsabends nochmals aufzuraffen, um in die Stadt zu fahren. Sehr oft schon entdeckte ich bei mir nachmittags die elendig aufkommende Frage, ob ich denn am Abend wirklich noch da oder dorthin fahren solle. Oft lasse ich es bleiben, manchmal raffe ich mich aber auf. Geärgert habe ich mich darüber nie. So wie gestern Abend auch nicht.
Die freien Tage waren bis dahin sehr ereignisreich verlaufen. Und sonnig. Zum ersten Mal in diesem Jahr gab es zwei Tage Sonne non-stopp. Und zum ersten Mal in diesem Jahr verspürte ich am Sonntagnachmittag dieses leichte Nasenkribbeln. Jups, Heuschnupfen-Ding. Willkommen zurück. Ein Ausflug an die belgische Küste endete mit Autofahrgesprächen über Erdmöbel und ihre gute Phase zu Zeiten des „Fotografie“ Albums. Sehr weit, und das fiel mir gestrigen Abend während des Konzertes ein und auf, ist John Grant davon nicht. Zumindest nicht dann, wenn er die Songs des ersten Albums spielt. Das zweite, aktuelle Pale Green Ghosts ist mit dem ersten nicht zu vergleichen. Es ist viel elektrolastiger, weniger vordergründig melancholisch. Traurig klingt es aber trotzdem.
Im Gloria spielte John Grant hauptsächlich Songs des neuen Albums Pale Green Ghosts. Obwohl er sich somit im gleichen Schaffenszeitraum bewegte, kam es mir vor, dass ich keinen Zusammenhang zwischen den Songs erkannte. Es fehlte sowas wie der rote Faden. Das mag auch daran gelegen haben, dass die Band vor dem Konzert schlicht und einfach vergessen hatte, eine Setlist zu schreiben. Und so kam es vor jedem Song zu kurzen Absprachen; manchmal musste ein Bandmusiker noch schnell eine andere Gitarre zur Hand nehmen oder den Platz am Keyboard räumen. All das wirkte jedoch so herrlich chaotisch, dass mir die Songaneinanderreihung egal wurde. Wichtiger war zu sehen, dass John Grant und seine isländischen Begleitmusiker sichtbar große Freude an dem Abend hatten. Und sie haben scheinbar einige Freunde in der Stadt. Immer wieder gab es unterhaltsame Zwischenrufe nach Songankündigungen. „TC and the honeybear“ wurden auf Zuruf gespielt und auch im Zugabenteil spielte die Band Publikumswünsche: „Queen of Denmark“ und „Chicken bones“. Bei letzterem tanzte John Grant wie einst Joe Cocker tanzte.
Als ich neunzig Minuten zuvor ins Gloria kam war ich nicht recht sicher darüber, was mich erwarten würde. Ein leerer Saal, ein volles Haus? Auf eine mögliche Vorband hatte ich keine große Lust, daher latschte ich erst um kurz nach Acht die Apostelnstrasse herunter. Vor dem Gloria stand nur ein kleiner Bus, Menschen eher nicht. Auch im Vorraum und an der Garderobe war es auffällig ruhig. „scheint nicht viel los zu sein heute“, dachte ich so, als ich um die Ecke in den Konzertsaal bog und war überrascht: Der Thekenbereich war voll und auf einen ersten hastigen Blick sah ich überall Köpfe. Mein zweiter Blick gab dann Entwarnung, es war ein bestuhltes Konzert, daher auch noch weit hinten die vielen Köpfe, und es waren noch einige große Platzlücken erkennbar. Also, nicht voll, aber irgendwie doch und die richtige Entscheidung, erst spät loszufahren.
Das Konzert begann mit zwei neuen Songs und der Entschuldigung an seine Freunde, die nicht auf der Gästeliste standen, aber dann ja doch noch irgendwie ins Konzert kamen. Das Bühnenambiente wirkte leicht sphärisch technoartig und ich war mir anfangs nicht sicher, ob das a) mit der Bestuhlung so eine gute Idee war und b) ob es überhaupt eine gute Idee war, hier hinzufahren. Ich tat mich schwer mit den neuen Songs. Minuten später war das Schwertun jedoch futsch. In schönster Sonntagsabendentspanntheit räkelte ich mich auf dem Sitzmöbel (es ist übrigens unvorteilhaft, auf einem leicht abfälligen Boden auf einem Plastikstuhl mit rutschiger und gerader Sitzfläche zu sitzen; man rutscht immer blöd nach vorne) und merkte, wie viel Spaß mir das Konzert bereitete. Die neuen Stücke wurden besser, die alten waren eh schon immer gut. Wunderbare „Why I don’t you love me anymore“, „I hate this town“ und „Glacier“ waren anschließend die Höhepunkte, bevor in der Zugabe zum zweiten Mal das alte Album herhalten musste. Ohh, dieses „i hate this town“ war großartig!
Zu einem sehr guten Abend fehlte nur „Sigourney Weaver“. Sonst alles schön. Guter Mann, dieser John Grant.

Setlist:
01: Ernest Borgnine
02: You don’t have to
03: Vietnam
04: GMF
05: Pale Green Ghosts
06: Black Belt
07: It doesn’t matter to him
08: Sensitive New Age Guy
09: Why don’t you love me anymore
10: TC and Honeybear
11: I hate this town
12: Glacier
Zugabe I:
13: I wanna go to Marz
14: Queen of Denmark
Zugabe II:
15: Chicken bones

Kontextkonzerte:
Rolling Stone Weekender – Ostsee, 12.11.2010

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