Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Lingby


Nachdem er aus London zurückgekehrt ist, erhält Mac Taylor in der vierten Staffel CSI:NY jeweils um 3.33 nachts anonyme Telefonanrufe. Scheinbar hängen diese Anrufe nicht mit den aktuellen Mordfällen zusammen.Um 11:14 abends spielen sich in einer amerikanischen Kleinstadt merkwürdige Dinge ab, ein Angestellter überfällt seinen eigenen Supermarkt, ein Mann entdeckt, dass seine Tochter einen Mord begangen hat versucht diesen zu vertuschen und es werden zwei Menschen überfahren.
Was sich um 2:54 Uhr ereignete, weiß ich nicht. Ich will es auch gar nicht wissen. Ich unterstelle dem Bandnamen einfach eine Uhrzeit, ohne mir die Mühe machen zu wollen, dieses zu recherchieren. In irgendeinem Interview oder auf irgendeinem Musikblog würde ich sicherlich die Antwort finden, aber in diesem Fall ich finde die Ungewissheit spannender.
2:54 sind die beiden Schwestern Colette und Hannah Thurlow aus London. Vor einigen Wochen spielten sie im Vorprogramm der XXe – was ihre musikalischen Eck-Koordinaten passend definiert – nun sind sie für drei Konzerte kurz zurück. Eine EP (Scarlet) und ein Album (2:54) sind bereits veröffentlicht, Anfang 2010 gründeten sie ihre Band, zu der mittlerweile auch Alex Robins und Joel Porter zählen.
Als ich am Gebäude 9 ankam, spielte die Vorband Lingby bereits.
Die beiden 2:54er Schwestern standen derweil draußen an ihrem Tourbulli und husteten um die Wette. Das klang kränklich, waren sie aber scheinbar nicht, denn später am Abend merkte man ihnen keinerlei Schwächen an. Gut so.
Dass es ab und an ratsam ist, auf Kulturteile in Tageszeitungen zu achten und deren Ratschläge zu befolgen, zeigte sich bei der regionalen Vorgruppe Lingby. Wie schrieb der Stadtanzeiger doch am Morgen: Pünktlich da sein, Vorgruppe sind die wunderbaren Lingby. Nun, da hatte das Tagesblatt nicht zu viel versprochen. Wundervoll waren die Lingbys definitiv, zu viert präsentierten sie knappe zwei Hände voll Songs mit Trompete, Gewitterrassel, Akustikgitarre, Keyboard, Trommeln und Rasseln. Das war schnuckeliger Indiepop mit Kaffeehaus-Atmosphäre. Lingby spielten die Songs ihres Albums wohl bedacht und ohne großen Heckmeck. „Count the stars“ erschien vor 2 Jahren und ich glaube tatsächlich, dass es so ist, wie die Band es auf ihrer Bandcamp Seite beschreibt:

“Including four years of composing music. Listen to it carefully, the whole beauty develops after a few times.”

In knappen vier Wochen werden sie „in laut und krachiger“ und in Vollbesetzung (im G9 waren sie nur zu viert) im Subway erneut zu sehen sein. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, werden Lingby dort ihre neue EP präsentieren.
Zu viert waren auch 2:54 auf der Bühne und boten das erwartete Konzert: Viel Nebel, wenig Licht, 80er Indiefrisur und Cure Gitarren. Ach, das klingt so herrlich abgedroschen und oberflächlich und vorhersehbar, aber die vorher kurz angelesenen Artikel berichten, dass all das bei und zu 2:54 passt: Post Punk, Gothic, Wave und Dream Pop.
Was mir nach wenigen Sekunden auffällt sind zwei Dinge: Alison Moyet und eine äußerlich nicht wegzudiskutierende Verwandtheit von Hannah Thurlow und Romy Madley. Aber wahrscheinlich mögen die beiden nicht nur den gleichen Kleidungsstil, sondern teilen auch dieselben Lieblingsbands. Gitarrenspieltechnisch ist die dunkelhaarige Schwester das Jesus-and-Mary-Chain-Lush-Cure role model schlechthin: Wippender Oberkörper, Fußhaltung, Gallup’sche Tanzschritte. Kennt man.
Naturgemäß gelten Sängern die größte Aufmerksamkeit, aber bei mir und 2:54 war das anders. Ich ertappte mich immer wieder dabei, wie ich öfters nach links schaute. Zwar hatte Hannah auch ein Mikro, aber ihren Zweitgesang hauchte sie nur dreimal ins Mikrofon. Und jedes Mal so leise, dass man ihn nicht hörte. Der Begriff Sängerin zählte für sie an diesem Abend nicht, alles andere war jedoch sehr faszinierend und unterhaltsam.
Die beiden männlichen Bandmitglieder wirken irgendwie nicht dazugehörend. Bassist Joel Porter erschien mir komplett vom Bühnengeschehen abgekapselt und auch der Schlagzeuger erschien mir nur da zu sein, weil eben ein Schlagzeuger da sein muss. Ich fragte mich ernsthaft, ob die vier eine Band sind oder ob „nur“ eine zwei plus zwei Tourpaarung auf der Bühne steht. Allerdings waren zwischenmenschlichen Interaktionen generell spärlich gesät, von daher sind meine Beobachtungen sicherlich sehr überinterpretiert.
Musikalisch war es erwartungsgemäß. Erwartungsgemäß schön! Wenig Licht, viel Nebel, eine kühle Grundstimmung, die durch eine zeitweise aufleuchtende bläuliche indirekte Saalbeleuchtung noch unterstützt wurde. Das gesamte Konzert eine stimmige Hommage an eben jene 80er. Da haben die XXe alles richtig gemacht, indem sie zusammen mit 2:54 auf kleine Sommertour gingen. Wie ich heute spürte, passen beide Bands perfekt zusammen. Und da ich The xx musikalisch und auch live sehr schätze (und gerade bei xx Liveauftritten gehen die Meinungen ja sehr auseinander), gefielen mir auch 2:54.
Es war eine gute Idee, diesen Abend trotz Champions League nicht zuhause zu verbringen.

“Think about the sonic signifiers of Lush and PJ Harvey bottled inside a band that named itself after a specific moment in a Melvins song (“A History Of Bad Men”) that’s tight with the xx and Warpaint and you’ve rendered a fairly accurate composite sketch.“ (stereogum.com)

Mehr Referenzen von Lieblingsbands in einem Satz geht ja kaum! Und die Sache mit dem Namen ist jetzt auch raus.
Ihr Seal „Killer“ Cover haben sie leider nicht gespielt. Der einzige Wermutstropfen. Das hätte ich gerne in der 2:54 Fassung gehört.

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